Vielleicht war Bundespräsident Alexander Van der Bellen gedanklich schon bei der Angelobung der nächsten Bundesregierung. Und hat geahnt, dass er bei deren Zusammensetzung vielleicht nicht so viel mitzureden haben wird wie bei der Übergangsregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein, deren Angelobung am Montag in der Hofburg anstand.

Eine gute Gelegenheit also für Van der Bellen, um der nächsten Regierungsspitze schon einmal eine Vorlage zu liefern: Er freue sich, "ich mache auch gar keinen Hehl daraus", dass zum ersten Mal eine Frau die Regierung anführt – und dass die Hälfte der Regierungsmitglieder weiblich ist: "Künftig kann niemand mehr sagen: ‚Das geht leider nicht.‘" Der Präsident war sichtlich zufrieden mit sich und der neuen Bundesregierung.

Van der Bellen zum Frauenanteil.
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Überhaupt erklomm Van der Bellen am Montag den Gipfel der Zuversicht: In der innenpolitisch turbulenten Zeit habe Österreich nämlich Krisenfestigkeit bewiesen, freute er sich vor den neuen Ministerinnen und Ministern. Neben der vom Präsidenten zum wiederholten Male gelobten Bundesverfassung sei da die "typisch österreichische" Zuversicht hilfreich – kombiniert mit dem in der Bundeshymne besungenen Mut und der Dialogfähigkeit der Österreicher. "Auf gut Österreichisch: Beim Reden kommen die Leut z'samm. Man setzt sich zusammen und diskutiert das aus. Gerade in den letzten Tagen und Stunden wurde das wieder sehr schön unter Beweis gestellt", sagte der Bundespräsident.

Gelassen und ausgelassen

Die Regierung besteht, DER STANDARD berichtete, ausschließlich aus Spitzenbeamten. Sie lassen sich mit manchmal mehr, manchmal weniger Mühe Volkspartei, Sozialdemokratie oder Freiheitlichen zurechnen. Vom Angelobungszeremoniell in der Hofburg haben sie sich jedenfalls nicht aus der Ruhe bringen lassen: In einer Reihe aufgefädelt, zeigten sich die neuen Regierungsmitglieder gelassen (routiniert: Wirtschaftsministerin Elisabeth Udolf-Strobl) bis ausgelassen (fröhlich: Außen- und Europaminister Alexander Schallenberg).

Das Vertrauen in die Politik, das sich Van der Bellen trotz der Ibiza-Videos wünscht ("Es sind die allerwenigsten Politiker so. Österreich ist nicht so"), setzt der Präsident selbst in die neue Regierung: "Ich bin überzeugt, dass sie eine starke, stabile Bundesregierung sein werden." Auch wenn es schwierig erscheine, "auf der politischen Ebene Vertrauen zu erwerben, muss man es dennoch immer wieder versuchen."

Die Rede von Alexander Van der Bellen zum Nachschauen.
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Kanzlerin Brigitte Bierlein lobte die neue Regierung später, bei ihrer ersten Ansprache als Bundeskanzlerin, als Mannschaft, die "ihre unbestrittene Expertise und der treue, lange Dienst" für die Republik eine. Die Agenden des Landes befänden sich nun "in den besten Händen". Sie selbst nehme das Amt mit Demut an. Weil ihr der sorg same Umgang mit Steuergeld ein Anliegen sei, gebe es insgesamt weniger Regierungsmitglieder, keine Staatssekretäre und schlankere Kabinette.

Sorge wegen des "Paintballministers"

Von den Parlamentsparteien erhielt Bierleins Regierung größtenteils den Vertrauensvorschuss, auf den Kanzlerin und Präsident hingearbeitet haben. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sieht die erste Kanzlerin als "tolles frauenpolitisches Signal" und war zuversichtlich, dass nun Stabilität einkehre – und Regierung wie Parlament auf Augenhöhe zusammenarbeiten. FPÖ-Chef Norbert Hofer präsentierte seine Partei als verlässlichen Partner und ging davon aus, "dass die neuen Mitglieder der Bundesregierung die anstehenden Amtsgeschäfte mit großer Umsicht und mit Rücksicht auf den Charakter einer Übergangsregierung erledigen werden".

Die neue Bundesregierung, von links nach rechts, hintere Reihe: Verkehrsminister Andreas Reichhardt, Verteidigungsminister Thomas Starlinger, Bildungsministerin Iris Eliisa Rauskala, Finanzminister Eduard Müller, Maria Patek, Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, und Innenminister Wolfgang Peschorn sowie von links nach rechts, vordere Reihe: Brigitte Zarfl, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten, Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner, Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, Wirtschaftsministerin Elisabeth Udolf-Strobl, Außenminister Alexander Schallenberg und Frauenministerin Ines Stilling.
Foto: BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC

Die Geschlechterparität in der Bundesregierung erachtet Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger als "nicht nur sehr erfreulich, sondern auch längst überfällig". Sie erwarte von den neuen Regierungsmitgliedern eine ordentliche Verwaltung, wo nötig, Aufklärung – und dass ein etwaiger parteipolitischer Hintergrund "absolut keine Rolle spielt und die Expertise und das Wohl der Republik im Vordergrund stehen". Listen-Jetzt-Gründer Peter Pilz lobte zwar die Kanzlerin, ihren Vizekanzler Clemens Jabloner und Innenminister Wolfgang Peschorn. Infrastrukturminister Andreas Reichhardt, der auf alten Fotos gemeinsam mit Heinz-Christian Strache bei den berüchtigten rechtsextremen Wehrsportübungen zu sehen ist, kritisierte Pilz aber als "Paintballminister".

Kardinal äußert sich, ÖVP nicht

Von außerhalb des Parlaments meldeten sich die Grünen und die katholische Kirche zu Wort: Die frühere Partei des Bundespräsidenten begrüßte das ausgewogene Geschlechterverhältnis in Bierleins Kabinett. Kardinal Christoph Schönborn wünscht der Regierung "Weisheit, Augenmaß, Mut und Gottes Segen".

Zwischen allen Stellungnahmen wurde aber von einer Seite besonders laut geschwiegen: Die ÖVP, der Bierleins Vorgänger Sebastian Kurz angehört, verschickte am Montag als einzige Parlamentspartei kein Statement zur neu angelobten Bundesregierung.

Die Antrittsrede von Brigitte Bierlein zum Nachschauen.
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Einzig der – in seiner Funktion überparteilich agierende – Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ließ am Nachmittag vermelden, dass er für eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit" des Parlaments mit der Bundesregierung eintrete. Er zeigte sich überzeugt, "dass auch alle im Parlament vertretenen Parteien in diesem Sinne handeln werden.

Noch am Montag, nach den Umtrünken in Präsidentschaftskanzlei und Bundeskanzleramt, erledigten die ersten Minister die Hausübergabe in ihren Ministerien. Am Mittwoch soll dann wie gewohnt der Ministerrat zusammentreten, zum ersten Mal in neuer Formation. Am 12. Juni soll die Regierung sich dem Nationalrat vorstellen. (Sebastian Fellner, 3.6.2019)