Wien – Applaus gilt bei Pressekonferenzen allgemein als verpönt. Schließlich sollen Journalisten berichten, nicht Beifall bekunden. Dennoch wurde am Dienstag, als die aktuellen Ergebnisse der Zentralmatura im Bildungsministerium verkündet wurden, geklatscht. Allerdings vom Podium aus. Das erste Mal für Bildungsministerin Iris Rauskala, die bei dem Pressetermin ihren ersten öffentlichen Auftritt absolvierte. Ihre Vorstellung begleiteten die übrigen Referenten der Pressekonferenz mit Applaus. Den gewichtigeren Beifall gab es aber für die Ergebnisse bei der Reifeprüfung Mathematik.

Da sorgten die katastrophalen Ergebnisse im Vorjahr für einen Schock – und für eifrige Nachbesserungsmaßnahmen im Ministerium. 22,4 Prozent der Maturanten an AHS schafften 2018 die Matheprüfung nicht beim ersten Anlauf, an den BHS waren es 18,9 Prozent. Nun sei man "recht zuversichtlich, dass eine erste Trendumkehr" bei der Mathematikprüfung gelungen ist, sagt Rauskala: Nur 11,2 Prozent der Prüflinge an allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) erhielten auf die schriftliche Mathematura ein Nicht genügend. An berufsbildenden höheren Schulen (BHS) waren es 15,5 Prozent.

Die Ergebnisse nach der Kompensationsprüfung, wo sich Maturanten den Fleck bei der schriftlichen Matura im Rahmen des mündlichen Prüfungstags ausbessern können, liegen 2019 insgesamt bei rund fünf Prozent – hier verbesserten sich vor allem die Ergebnisse an den BHS.

Für Rauskala, die vor ihrem Job als Übergangsministerin schon Sektionschefin im Bildungsministerium war, ist die Zentralmatura ein "Mammutprojekt", das "über viele Jahre feinjustiert und verbessert werden muss". Nun sei sie aber zuversichtlich, dass es vor allem bei der Matheprüfung dauerhaft zu Verbesserungen komme. Zurückzuführen ist das auf kürzere und verständlichere Aufgaben bei der Prüfung, die im Bildungsministerium gemeinsam mit Experten und Lehrervertretern erarbeitet wurden.

Beste Noten an AHS

Die Ergebnisse in den Sprachfächern sind aus Sicht der Prüflinge noch erfreulicher: Nach einer etwaigen Kompensationsprüfung fielen in Deutsch an AHS nur 1,2 Prozent der Reifeprüfungen negativ aus, an BHS waren es 0,8 Prozent. In Englisch fielen 1,8 Prozent der AHS-Schüler durch, an BHS schafften 3,2 Prozent die Englischprüfung nicht. Zwischen 41 und 52 Prozent schafften dafür in diesen beiden Fächern einen Einser oder Zweier.

Schlüsselt man die Ergebnisse weiter nach den unterschiedlichen Schulformen auf, ergibt sich allerdings ein differenziertes Bild: Die Prüfungen an Oberstufenrealgymnasien (ORG) fielen quer durch alle drei Fächer schlechter als an der AHS-Langform aus. In Mathematik erreichten etwa 31 Prozent der Maturanten an den achtjährigen Gymnasien ein Sehr gut oder ein Gut. An ORG erreichten dagegen nur 19,1 Prozent eine der beiden Bestnoten.

Realgymnasium statt Lugner City

Eklatant sind die Unterschiede auch zwischen den BHS-Typen: An den HTL beendeten 42 Prozent der Maturanten die Reifeprüfung mit einem Vierer oder Fünfer (nach der Kompensationsprüfung). An den HLW (höhere Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe) waren es fast 53 Prozent.

Kurt Scholz, Leiter des Forums Zentralmatura, erklärte das damit, dass es die ORG "unendlich viel schwerer" hätten, ihre Schüler auf Maturaniveau zu bekommen: Diese Schulen würden Kinder "von hinter der Ziellinie" nach vorne holen und fördern. Man dürfe das Gesamtbild nicht aus dem Auge verlieren: "Dieses Land ist formal noch nie so gebildet gewesen wie heute. Und zwar mit einem Standard, der sich verschoben hat, aber keinesfalls gesunken ist", sagte der ehemalige Wiener Stadtschulratspräsident.

Natürlich, fügte Scholz unter Hinweis auf den zugrunde liegenden Zynismus hinzu, könnte man die ORG abschaffen, um die Statistik aufzubessern. Nur, "die jungen Menschen gibt es dann ja weiter. Sie gehen dann nur nicht ins ORG am Henriettenplatz, sondern sie schwimmen in der Lugner City herum."

Als trauriger Evergreen treten auch in diesem Jahr die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Maturanten auf, wie die Zahlen an den AHS zeigen: Burschen schnitten in Mathe besser ab, Mädchen in Deutsch. Während 31 Prozent junger Männer einen Einser oder Zweier in Mathe schafften, waren es bei den jungen Frauen nur 24 Prozent. In Deutsch dagegen erreichten 51 Prozent der Mädchen ein Sehr gut oder ein Gut aber nur 41 Prozent der Burschen.

Für Michael Eichmair, Uniprofessor für Mathematik, ist das primär die Folge geschlechtsspezifischer Zuschreibungen: Wer heute in ein Spielwarengeschäft gehe, merke schon, dass Spielzeug für Buben technischer gestaltet sei. "Wir verhindern damit, dass junge Menschen ihre Potenziale als solche erkennen", sagte der Mathematiker. Angesichts der zunehmenden Digitalisierung sei das auch ein wirtschaftliches Problem: "Wir können uns das nicht leisten." (Sebastian Fellner, 11.6.2019)