Der 1751 erbaute Derzbachhof soll in ein hochwertiges Holzwohnbauprojekt integriert werden.

Foto: Euroboden

Es soll die charakteristische Lärchenholzlattung aufnehmen und weitertragen.

Visualisierung: Euroboden

In der Fensternische krabbelt eine dicke, fette Spinne. Auf dem Parapet stehen alte Milchkannen und längst verrostete Eisengewichte. Und zwischen den schon zum Teil morsch gewordenen Fassadenbrettern funkelt ab und zu die Sonne in den sonst dunklen, nur spärlich mit Glühbirnen ausgestatteten Raum. Der Derzbachhof, 1751 errichtet, zählt nicht nur zu den ältesten Profanbauten im Stadtteil Forstenried, sondern gilt auch als ältester noch erhaltener Bauernhof Münchens. Nach 40 Jahren Leerstand soll das Gebäude nun revitalisiert und in ein hochwertiges Holzwohnbauprojekt integriert werden.

Geht es nach dem Immobilieninvestor Euroboden, der heuer sein 20-jähriges Bestehen feiert und sich seit der Gründung 1999 auf die Entwicklung architektonisch hochwertiger, auch denkmalgeschützter Objekte spezialisiert hat, soll der Baubeginn bereits nächstes Frühjahr erfolgen.

Die Fertigstellung ist für 2022 angepeilt. Doch der straffe Zeitplan könnte sich als Problem herausstellen, denn während der Holzbau vor sich hin gammelt und zusehends verfällt, melden sich immer wieder Naturschützer und Boulevardmedien zu Wort und fordern einen unverzüglichen Baustopp. "Aus stadtklimatischen und ökologischen Gründen", wie es heißt, solle der Bauernhof samt umliegendem Areal in seinem jetzigen Zustand erhalten bleiben.

"Sanierung überfällig"

"Das kommt für uns nicht infrage", sagt Euroboden-Geschäftsführer Stefan Höglmaier. "Der aktuelle Zustand des Derzbachhofs ist bedauerlich. Nicht nur aus der Perspektive des Architekturliebhabers, sondern auch aus baukultureller und nicht zuletzt historischer Sicht ist eine Sanierung dieses Objekts längst überfällig."

Rückenwind bekommt Höglmaier von der Kommune sowie vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Sogar die ehemalige Münchner Planungsstadträtin Hannelore Prechtel (SPD), die dem auf Heimat und Tradition bedachten Verein "Freunde des Ortskerns Forstenried" vorsitzt, spricht sich für das Projekt aus.

Euroboden will rund 20 Millionen Euro investieren. Das Bauernhaus soll saniert werden. Wo einst Stallungen und Stadl waren, sollen unter Erhaltung der historischen Substanz vier kleine Mietwohnungen, ein Gemeinschaftsraum und ein Gästezimmer errichtet werden. Ergänzt wird der Altbau von Town-Houses mit insgesamt 16 unterschiedlich dimensionierten Eigentumswohnungen, deren Verkauf die aufwendige Sanierung querfinanzieren soll.

Die charakteristische Lärchenholzlattung mit ihren breiten und schmalen Stäben, die auf den Visualisierungen ins Auge springt, knüpft bewusst an die Formensprache historischer Landwirtschaftsgebäude an. Ergänzt wird das Projekt von einer Gartenanlage mit Urban-Gardening-Flächen.

Erfahrung mit Bauernhäusern

"Wenn man so einen alten, sensiblen Bau angreift, dann muss man das mit einer gewissen Kompromisslosigkeit und Rotzigkeit machen", sagt Architekt Peter Haimerl, der das Projekt gemeinsam mit Raumstation Architekten umsetzen wird. "Denn das Letzte, was so ein großartiger Bau verträgt, ist eine mittelmäßige, sich an das Alte anbiedernde Investorenarchitektur mit zamgekniffenem Arsch. Bei allem Respekt vor den 268 Jahren Geschichte: So was funktioniert nur, wenn die neue Architektur genauso stark und hochwertig ist wie das alte Zeug."

Haimerl, einer der radikalsten Architekten Bayerns, hat viel Erfahrung mit historischen Bauernhäusern. Für Euroboden sanierte er in München-Riem 2015 das denkmalgeschützte Schusterbauer-Haus mit zwei exklusiven Mietwohnungen, und für sich selbst baute er erst letztes Jahr ein fast baufälliges Blockhaus im Bayerischen Wald um, indem er die morschen Holzbalken durch rohe, archaische Betonbarren ersetzte. Strukturelle und materielle Brutalität auf höchstem Niveau.

"Was historische Bauten betrifft, ist schon viel zu viel Scheiße entstanden, indem man das Alte mit Samthandschuhen angegriffen und mit vermeintlichem Langeweilerespekt repariert und rekonstruiert hat", so Haimerl in der für ihn typischen Sprache. "Aber das interessiert mich nicht. Ich will Baukultur schaffen. Und zwar konsequent, sonst braucht man gar nicht erst anfangen."

Starke Ansage. Man darf gespannt sein. Spätestens 2022 wird man wissen, ob die jetzt großen Worte zum Derzbachhof eine neue Messlatte im Umgang mit historischer Bausubstanz gelegt haben werden oder nicht. (Wojciech Czaja, 8.10.2019)