Carmen Thornton ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Trennungen und Scheidungen sowie Obsorge- und Unterhaltsverfahren. Auf derStandard.at/Familie beantwortet sie rechtliche Fragen bezüglich des Familienlebens.

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Das Coronavirus hat nicht nur unseren Alltag grundlegend verändert und weite Teile des Wirtschaftslebens beinahe zum Erliegen gebracht, sondern stellt auch die Justiz vor eine Herausforderung. Die kostenlose Rechtsberatung bei den Amtstagen wurde stark eingeschränkt, und auch die meisten Gerichtstermine wurden vertagt. Verhandlungen finden nur in dringend notwendigen Fällen statt. Viele Klagen und Anträge liegen seit Wochen bei Gericht, und bei den Rechtssuchenden steigt naturgemäß die Nervosität, wie und wann diese Verfahren weitergehen werden.

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Getrennt lebende Eltern hoffen auch in der Corona-Krise auf eine schnelle Abwicklung der Kontaktregelung.
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Gerichte sollten schneller in Kontaktstreitigkeiten entscheiden

Besonders problematisch ist diese Situation im Familienrecht. Streitigkeiten sind hier schon unter normalen Umständen für alle Beteiligten höchst emotional und eine nervliche Belastungsprobe. Rasche Entscheidungen und ein effizienter Rechtsschutz sind daher umso wichtiger. Verzögerungen sind nicht nur finanziell ein Problem, sondern führen auch dazu, dass die Auseinandersetzungen erst recht eskalieren. Man stelle sich nur die – in der Praxis sehr häufige – Situation vor, dass sich die Eltern nach einer Trennung nicht auf ein Kontaktrecht einigen können oder ein Elternteil die Kinder plötzlich überhaupt nicht sieht. Hier ist es notwendig, dass vom Gericht so rasch wie möglich eine vorläufige Kontaktregelung getroffen wird. Das dauert schon im normalen Gerichtsalltag manchmal mehrere Wochen.

Kurzarbeit erfordert neue Berechnung des Unterhalts

Durch die aktuelle Krise kommt es gerade im Familienrecht vermehrt zu Streitigkeiten. So ist nicht nur ein Anstieg der Scheidungen und Trennungen zu erwarten, auch der Unterhalt muss wegen Jobverlust oder Kurzarbeit neu berechnet werden, und vielfach werden die Zahlungen wegen finanzieller Probleme plötzlich eingestellt. Und auch die Frage, ob das Kontaktrecht während der Krise ausgeübt werden darf, hat für große Unsicherheit gesorgt. Vielfach wurde der Kontakt einfach unterbunden, teilweise aus nachvollziehbaren Gründen wie etwa zum Schutz von Risikopersonen, die im gemeinsamen Haushalt leben, teilweise aber auch mutwillig. Dementsprechend groß sind der Frust und die Verunsicherung bei den Eltern.

Wie Verhandlungen während der Corona-Krise ablaufen

Die von der Regierung zuletzt verkündeten Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen werden hoffentlich etwas zur Entspannung beitragen. Aber auch in den nächsten Wochen und vielleicht sogar Monaten werden die Gerichtsverhandlungen anders ablaufen als bisher. Sofern technisch möglich, werden Verhandlungen per Videokonferenz geführt, Befragungen finden etwa in Pflegschaftssachen teilweise informell per Telefon statt. Wenn ausnahmsweise doch vor Gericht verhandelt wird, müssen alle Beteiligten einen Mundschutz tragen, und bereits am Eingang sind zusätzliche hygienische Maßnahmen wie etwa das Händedesinfizieren vorzunehmen. Außerdem müssen alle Beteiligten im Gerichtssaal einen Sicherheitsabstand einhalten.

Die Auswirkungen sind größer, als man vermuten würde. Wegen der notwendigen Sicherheitsabstände können die (anwaltlich vertretenen) Parteien aus Platzgründen bei der Befragung von Zeugen oder der gegnerischen Partei oft nicht im Raum anwesend sein. Dies erschwert detaillierte Nachfragen, weil der Mandant die geschilderten Situationen natürlich besser kennt als sein Anwalt und die Parteienvertreter bei der Befragung daher auf die Informationen durch den eigenen Mandanten angewiesen sind. Und wenn ein Zeuge oder die Partei einen Mundschutz trägt, ist es für die Richter ungleich schwerer, die Glaubwürdigkeit der Aussage zu beurteilen, weil man die Mimik nicht erkennt.

Auch wenn wir uns an so manches gewöhnen werden und die Krise auch eine Chance bietet, die dringend notwendige Digitalisierung der Justiz voranzutreiben, bleibt zu hoffen, dass auch im Gerichtsbetrieb so bald wie möglich wieder Normalität einkehrt. Denn gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie wichtig ein effektiver Rechtsschutz und eine funktionierende Justiz sind. (Carmen Thornton, 22.4.2020)