Pflichtverteidiger wie jener Walter Meischbergers, Jörg Zarbl (rechts), mussten zwei Jahre auf Honorarvorschüsse warten. Sie wurden um 40 Prozent gekürzt.

Foto: APA/Punz

Wien – Je länger das Buwog-Verfahren gedauert hat, desto ärmer wurden die Angeklagten, könnte man sagen. Jedenfalls ist bis zum Ende des Prozesses erster Instanz am 4. Dezember die Zahl derer auf fünf gestiegen, die sich keinen Rechtsanwalt mehr leisten konnten. Sie wurden dann von ihren Anwälten verteidigt, in deren Rolle als Pflichtverteidiger ("Verfahrenshelfer").

So war etwa Jörg Zarbl als Pflichtverteidiger für Walter Meischberger, Leonhard Kregcjk für Peter Hochegger tätig, Michael Dohr für einen Linzer Angeklagten (Causa Terminal Tower) oder Oliver Scherbaum für einen weiteren Buwog-Angeklagten. Angeklagte, die Verfahrenshelfer beigestellt bekommen, müssen zuvor ihre Vermögens- bzw. Einkommensverhältnisse offenlegen, und etwaige Verbesserungen bekanntgeben.

Erster Vorschuss nach zwei Jahren

Die Pflichtverteidiger im Buwog-Prozess haben nicht nur für ihre Mandanten gekämpft (zwei wurden rechtskräftig freigesprochen), sondern auch um ihr Honorar – und dieser Kampf wird noch länger dauern. Bis dato haben sie erst einmal einen Vorschuss auf ihr Honorar bekommen. Zur Orientierung: Der Buwog-Prozess hat im Dezember 2017 begonnen und bis Herbst 2019 hatten die Pflichtverteidiger noch keinen Cent gesehen und warteten in Summe auf rund drei Millionen Euro. Erste Vorschüsse bekamen sie von der Wiener Rechtsanwaltskammer erst heuer im Februar überwiesen, also mehr als zwei Jahre nach Prozessbeginn.

Die Anwaltskammer holt sich das Geld vom Justizministerium zurück. Die bürokratischen Abläufe zwischen Justizministerium, Österreichischer Rechtsanwaltskammer (Örak) und Länder-Anwaltskammern (sie zahlen das Geld aus) sind langwierig, im Fall Buwog, wie mehrfach berichtet, besonders langwierig.

Kammer strich 40 Prozent weg

Bezahlt werden Pflichtverteidiger gemäß Tarifordnung, so Prozesse länger als zehn Tage dauern. Kürzere Verfahren müssen sie gemäß Standesvorschriften gratis führen, können sich aber quasi freikaufen, indem sie sich von Kollegen vertreten lassen. Geld für die Pflichtverteidiger gibt es also erst für Verfahren ab elf Prozesstagen, die Buwog hatte 168 davon. In aller Regel und gemäß Rechtssprechung kommt es bei längeren Verfahren zu einem Abschlag von 25 Prozent vom Tarif. Begründet wird das, einfach gesagt, damit, dass der (Vorbereitungs-) Aufwand zu Beginn des Verfahrens hoch ist, im Lauf der Zeit aber weniger wird.

Im Fall Buwog hat die Kammer den Pflichtverteidigern bei der ersten Honorartranche für 2018 aber nicht 25 Prozent, sondern 40 Prozent weggestrichen. Begründung: Möglicherweise werde das Verfahren noch länger dauern (als die Kammer entschied, lief der Buwog-Prozess ja noch) und der Aufwand somit noch geringer. Zudem hat die Wiener Anwaltskammer das Honorar für bestimmte im Prozess gestellte Anträge gekürzt und begründete das interessanterweise mit "mangelnder Komplexität", die Eingaben hätten keines "atypischen erheblichen Aufwands" bedurft.

Mangel im System

Anwalt Dohr akzeptiert das nicht, er hat Rechtsmittel gegen den Auszahlungsbescheid eingebracht, sagte er am Freitag in Ö1. Örak-Präsident Rupert Wolff meinte schon vor einem Jahr (als noch gar kein Vorschuss ausbezahlt war), das System gehöre dringend reformiert, die Verzögerungen seien unerträglich. Auch das Justizministerium stellte Änderungen in Aussicht – entsprechende Gespräche dürften freilich nicht sehr fruchtbringend gewesen sein. (Renate Graber, 19.12.2020)