Sie hat mehrere Konzepte in der Schublade: Direktorin Karola Kraus nennt es als ihr Ziel, die Mumok-Sammlung von der klassischen Moderne bis heute auch dauerhaft im Haus im Museumsquartier zu präsentieren.

Klaus Pichler

Anfänge bis heute: erweiterte Malerei von Heimo Zobernig.

Klaus Pichler

Fokus auf Künstlerinnen: "War Baby" von Kiki Kogelnik.

Klaus Pichler

Das Mumok begeht heuer ein Triple-Jubiläum: 40 Jahre Österreichische Ludwig-Stiftung, 20 Jahre Standort im Wiener Museumsquartier und zehn Jahre unter Direktorin Karola Kraus, der ersten Frau an der Museumsspitze. Gefeiert wird mit der großen Sammlungsschau Enjoy – Die Mumok-Sammlung im Wandel und einer Personale von Heimo Zobernig.

STANDARD: Frau Kraus, Sie sind 2011 mit dem "Museum der Wünsche" gestartet, bei dem Sie Mäzene für den Ankauf ausgewählter Kunstwerke suchten. Wie haben sich die Neuerwerbungen seither entwickelt?

Kraus: Auf die Erfolgsbilanz können mein Team und ich stolz sein. In den letzten zehn Jahren konnten wir die Sammlung mit etwa 1150 Schenkungen erweitern, hinzu kommen 110 kapitale Werke als Dauerleihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung und 400 Ankäufe, die primär aus zweckgebundenen Mitteln erworben wurden.

STANDARD: Welche Schwerpunkte haben Sie gesetzt?

Kraus: Erstens wollten wir mehr Künstlerinnen in unsere sehr stark von Männern dominierten Sammlungen der 1960er- und 1970er-Jahre integrieren. Zweitens ging es uns darum, aufgrund der geopolitischen Lage Österreichs im Zentrum Europas und seiner Brückenfunktion zwischen West und Ost vermehrt osteuropäische Kunst aufzunehmen. Der dritte Fokus galt der Malerei, nachdem mein Vorgänger Edelbert Köb vor allem auf Neue Medien und Fotografie gesetzt hat.

STANDARD: Welche Künstlerinnen haben Sie verstärkt gesammelt?

Kraus: Durch die Österreichische Ludwig-Stiftung konnten wir großartige Werke, etwa von Evelyne Axell, Sister Corita Kent, Kiki Kogelnik oder Ree Morton, an unsere Sammlung binden.

STANDARD: Es werden auch noch unbekannte Künstlerinnen entdeckt, wie die 1922 in Wien geborene Elisabeth Wild, die zuletzt in Guatemala lebte.

Kraus: Gesehen habe ich ihre Werke das erste Mal bei der Documenta 2014. 2023 präsentieren wir im Mumok die erste Retrospektive der Künstlerin. Sie starb letztes Jahr hochbetagt mit 98 Jahren, aber wir sind glücklich, dass unsere Kuratorin Marianne Dobner noch kurz vor ihrem Tod bei ihr war und sie die gesamte Ausstellung gemeinsam konzipiert haben.

STANDARD: Wann sind Sie selbst das erste Mal mit der Stiftung Ludwig in Kontakt gekommen?

Kraus: Peter und Irene Ludwig habe ich schon in Köln kennengelernt, wo sie das Museum Ludwig ermöglicht haben. Sie haben die internationale zeitgenössische Kunst nach Wien gebracht. Irene Ludwig hat sich gefreut, dass eine Frau Direktorin des Mumok wurde. Leider ist sie kurz nach meinem Antritt verstorben.

STANDARD: Erhielten Sie mehr private Unterstützung aus dem In- oder aus dem Ausland?

Kraus: Sowohl als auch. Bei meinem Antritt wurde mir bewusst, dass die Schenkungskultur in Österreich damals nicht stark ausgeprägt und daher mein internationales Netzwerk förderlich war. Von ausländischen Sammlerinnen und Sammlern erhielten wir große Werke. Aber auch von österreichischen Förderern– so erwarb Veronika Piëch für das Mumok eine zentrale Installation von Fred Sandback, die eine zentrale Erweiterung unserer Sammlung der Minimal Art darstellt. Entscheidend waren auch die Einnahmen und Spenden durch unser Board. Damit konnten wir vor allem jüngere Positionen ankaufen.

STANDARD: Gibt es heute mehr Sammlerinnen als früher?

Kraus: Das hat sich stark verändert. Die Frauen sind heute selbstbewusster und stehen nicht mehr im Schatten ihrer Ehegatten. Oft kommt der Anstoß zum Sammeln von den Frauen. Wir haben sehr viele Schenkungen von Sammlerinnen bekommen, die wir auch in unserer kommenden Sammlungsschau Enjoy zeigen werden.

STANDARD: Wie wird die Mumok-Sammlung in der Ausstellung darin aufbereitet?

Kraus: Das Kuratorenteam hat die Ausstellung chronologisch angelegt, von der klassischen Moderne bis zur zeitgenössischen Kunst, aber so, dass auf jeder Ebene generationsübergreifende Dialoge stattfinden.

STANDARD: Welche Art von Genuss bietet "Enjoy"?

Kraus: Wir realisieren Ausstellungen mit etablierten, aber auch mit jungen, wegweisenden Künstlerinnen und Künstlern. Neben Einzelpräsentationen zeigen wir thematische Gruppen- und Sammlungsausstellungen. Mit dieser Mischung aus unterschiedlichen Programmschienen sprechen wir sowohl ein breites Publikum als auch ein dezidiertes Fachpublikum an. Die Ausstellung Enjoy ist einerseits sehr diskursiv angelegt, andererseits zeigen wir viele Highlights, die man auch ohne Grundkenntnisse genießen kann.

STANDARD: Der Städtetourismus ist 2020 eingebrochen. Wie möchten Sie das Publikum des Mumok weiterentwickeln?

Kraus: Unser Tourismusanteil ist mit 60 Prozent hoch, aber wir haben schon immer das heimische Publikum angesprochen. Mit unserem Kino konnten wir sehr junge, dynamische Besucherinnen und Besucher an unser Haus binden. Das Vermittlungsprogramm wendet sich an alle Altersstufen, und auch sozial versuchen wir, ein breit gefächertes Publikum anzuziehen. So wirkt das EU-Projekt "Cope" Fremdenhass entgegen. Mit der Pandemie haben wir zudem digitale Führungen auf Türkisch, Slowakisch und Farsi etabliert. Durch die Online-Angebote konnte die Hemmschwelle für ein jüngeres Publikum weiter herabgesetzt werden.

STANDARD: Die Ausstellungsfläche im Mumok wurde seit seiner Errichtung als zu gering kritisiert. Wie sehen Sie die räumliche Situation?

Kraus: Ich habe mehrere Konzepte für eine räumliche Erweiterung erarbeitet. Es ist mein erklärtes Ziel, unsere Sammlungen von der klassischen Moderne bis heute und somit unsere Highlights dauerhaft präsentieren zu können.

STANDARD: Das Mumok zeigte 2002 einen "Mid Career Survey" von Heimo Zobernig. Was bietet seine kommende Personale?

Kraus: Das war damals die erste Retrospektive von Zobernig. Unsere jetzige Schau legt den Schwerpunkt mit Werkblöcken aus den vergangenen Jahren auf dessen erweiterten Malereibegriff. Und die Publikation von 2002, die die Ausstellungschronologie von den Anfängen bis 2002 beinhaltete, wird in einem zweiten Band bis heute weitergeführt. (Nicole Scheyerer, 4.6.2021)

Programminfos:

19./20. Juni 2021 10–18 Uhr: "Enjoy – Die Mumok-Sammlung im Wandel" & "Heimo Zobernig". Erstes Eröffnungswochenende, powered by Dorotheum.

7./14. Juni 2021 Freitickets zur Onlinebuchung erhältlich.

19./20. November 2021 Festtagung anlässlich 40 Jahre Österreichische Ludwig-Stiftung