Friedensrichter: Prachtwirtshaus, dank Greißlereibewilligung auch im Lockdown betretbar – natürlich nur zum Abholen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Essen zum Mitnehmen ist keine einfache Aufgabe. Manch eminente Wirte bieten auch im Lockdown die komplette Karte von Hummercocktail bis Kalbsbutterschnitzel samt Püree an und richten die Speisen, als ob nix wäre, exakt wie im Restaurant an. Nur halt im Styroporwandl.

So bleibt es dem Kunden überlassen, die dekorierten Kreationen auf Teller zu verfrachten – kann ästhetisch nur als Frontalcrash enden. Andere denken mit und füllen Schöpfgerichte, Krautwickler, Kalbsbeuschel und anderes Gedünstetes in Gläser, die sich landesweit verschicken und vom Esser gefahrlos servierfertig machen lassen.

Und wieder andere opfern sich auf, damit der Österreicher trotz kalten Gasthausentzugs und akuter Panierinsuffizienz nicht komplett in der Selbstaufgabe versinkt. So einer ist Roland Trappmaier, der in seinem Friedensrichter schon auch Gulasch, Fleischknödel oder Kürbisgnocchi über die Gasse gehen lässt, aber im Wesentlichen doch Backhendl und Schnitzel.

Panier-Kompetenzzentrum

Das Wirtshaus am Donaukanal hat einen Ruf als Kompetenzzentrum des Panierten zu verwalten. Hier wird das Schnitzel vom Strohschwein nicht allzu katholisch plattiert und im Schmalzpfandl (bis zur goldenen Mitte mit Schweineschmalz und Öl gefüllt) zu rescher Perfektion souffliert.

Das Backhendl ist aber noch mal eine ganz eigene Geschichte, und jetzt, im Take-out-Modus, schon gar. Backhendl ist wahrscheinlich das ultimative Gebackene zum Mitnehmen, kommt deutlich knuspriger daheim an als Schnitzelpletschen – auch weil Letztere im Regelfall dampfdicht im Alupapier transportiert werden, Hendlgebackenes hingegen in Kartons.

Außerdem ist es einfach so, dass ein ganzes Backhendl die ideale familiäre Sättigungseinheit darstellt, mysteriöserweise für dreiköpfige Familien ebenso wie für fünfköpfige – ein extra Erdäpfel-Vogerl ist aber sowieso eine gute Idee. Und schließlich bleiben die Hendlteile, weil klassisch am Knochen paniert (und im Streit- oder auch Idealfall sogar mit Haut!), deutlich saftiger als die plattgemachten Blatschern von der Schnitzelfraktion.

Wiesenläufer

Es ist einfach so, dass ein ganzes Backhendl die ideale familiäre Sättigungseinheit darstellt.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Jene vom Friedensrichter kommen dem Ideal schon ziemlich nahe. Zwar werden sie im Regelfall portions- und nicht hendlweise verkauft, nicht bestätigte Gerüchte sprechen aber von einem Ganzes-Tier-Bonus bei vier gleichzeitigen Bestellungen.

Die Viecher bezieht Trappmaier beim ziemlich einzigartigen Bio-Geflügelbauern Roman Haslinger, der im östlichen Weinviertel seine "Wiesenläufer" als wahrhaftige Freilandhendln (sogar im Winter!) aufzieht. Das Fleisch ist bissfester als die Laufstallware der Industrie und wird nach dem Zerteilen deshalb mit Kräutern und Joghurt mariniert, was der Kombination aus weißem Fleisch und goldenem Schmalzknusper auch noch diskrete, willkommene Nuancen des Wohlgeschmacks hinzuzufügen vermag.

Das Hendl ist zwar ausgelöst, was unvermeidliches Trockenheitsgefühl im Brustbereich nach sich zieht, Trappmaier erklärt dies aber recht plausibel mit der Größe der Freilandhendln, die ihm am Knochen im Schmalzbad "einfach nicht durch" würden. Dafür ist bei jeder Portion ein Stückl von der Leber dabei, ganz essenziell, um der Orgie in Gold und Weiß zumindest etappenweise ein bissl ein Kontrastprogramm zur Seite zu stellen.

Wer’s nicht mag, hat zwar keine Ahnung, sollte dies bei der Bestellung aber dazusagen (und kriegt stattdessen ein Extrastückl). Last not least: Der Erdäpfel-Vogerl-Salat, speckig, dezent mit roter Zwiebel und ohne Zucker mariniert, macht auch wegen des guten Kernöls Freude. (Severin Corti, RONDO, 10.12.2021)

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