Karl-Heinz Grasser und andere Angeklagte halten die Vorsitzende des Schöffensenats für befangen.

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Das Thema Befangenheit sorgte im Buwog-Prozess von Beginn weg für Aufregung. Karl-Heinz Grasser und Walter Meischberger sowie drei weitere Angeklagte werfen Richterin Marion Hohenecker seit dem Start des Prozesses vor, wegen Grasser-kritischer Tweets ihres Mannes befangen und damit "ausgeschlossen" gewesen zu sein. Sie hätte ihrer Ansicht nach also das Verfahren gar nicht führen dürfen.

Im Buwog-Prozess, in dem die Hauptangeklagten Grasser zu acht Jahren Gefängnis, Walter Meischberger zu sieben und Peter Hochegger zu sechs Jahren verurteilt wurden, sind sie mit entsprechenden Anträgen zur "Feststellung der Ausgeschlossenheit" der Richterin aber stets abgeblitzt. In der 1.280-seitigen Urteilsausfertigung, die vorigen Freitag zugestellt wurde, geht die Richterin auf diese "großteils redundanten" Anträge nun noch einmal ein.

Ehe färbt ab

Die Angeklagten hätten darin moniert, dass der Ehemann der Richterin sich 2015 bis 2017 auf Twitter abschätzig über Grasser geäußert habe. Und sie hätten argumentiert, es liege "in der Natur der Ehe, dass die Meinung des einen Ehegatten über öffentliche Vorgänge auf den anderen Ehegatten abfärbe" und deswegen zumindest "die Gefahr des objektiven Anscheins einer Befangenheit" Hoheneckers bestehe.

Im Urteil nimmt die Richterin in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des Präsidenten des Straflandesgerichts Bezug, der schon vor Prozessbeginn keinen Ausschließungsgrund Hoheneckers gesehen hatte. Sie selbst geht auch auf die Schlussworte der Angeklagten ein. Die fanden am letzten Verhandlungstag vor der Urteilsverkündung ja durchaus lobende Worte für Hohenecker, hätten ihre "faire und objektive Verhandlungsführung (…) expressis verbis gelobt", schreibt sie im Urteil.

Ehe färbt nicht ab

Damit hätten sie "beredtes Zeugnis davon (gegeben; Anm.), dass sich die Vorsitzende von allfälligen Meinungen ihres Ehegatten nicht hat leiten lassen". Die Argumentation von Grasser und Co, dass sich aus der medialen Berichterstattung über all das eine Gefahr der Befangenheit ableiten lasse, voliert die Richterin ab: In der Öffentlichkeit sei schon seit längerem bekannt, dass Ehefrauen nicht selten anderer Ansichten seien als ihre Ehemänner. Es gebe heutzutage keine gesellschaftliche Vermutung, dass sich Ehefrauen die gesellschaftspolitische Kritik oder politische Wertungen ihrer Ehegatten zu eigen machten, schreibt sie und verweist darauf, dass sich "diese emanzipatorische Sicht" auch schon in der EU-Rechtsprechung manifestiert habe.

Und: Wenn es schon den gesellschaftspolitischen Konsens gebe, "dass Frauen im 21. Jahrhundert in Europa eine eigene Meinung, ebenso wie ein kritisches Hinterfragen der Meinung ihres Ehegatten zugestanden" werde, gelte das umso mehr für eine Richterin, "der bereits berufsbedingt eine vorurteilsfreie eigene Meinungsbildung" zugetraut werde. Knapp zusammengefasst: weit und breit keine Befangenheit.

Parallelen zu AKH-Urteil

Die Anwälte, die an ihren Berufungen und Nichtigkeitsbeschwerden arbeiten, werden sich übrigens auch mit dem Urteil zum Korruptionsprozess nach dem Wiener AKH-Skandal von Anfang der 1980er beschäftigen. Dort wurde judiziert, dass Untreuehandlungen auch durch die Gewährung von Preisnachlässen gesetzt werden können. Und: Der Buwog-Schöffensenat kam zur Ansicht, dass die Provision von rund 9,6 Millionen Euro, die zu einem Teil Grasser zugekommen sein soll, genau so einen "versteckten Preisnachlass" darstelle – und einen entsprechenden Schaden für die Republik. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, und es gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, 2.2.2022)