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Libysche Sicherheitskräfte vor dem Parlament in Tobruk.

Foto: REUTERS/Esam Omran Al-Fetori

Tripolis/Tobruk – Das libysche Parlament hat Interims-Regierungschef Abdelhamid Dbeibah durch die Wahl eines anderen Ministerpräsidenten offen herausgefordert und damit die Spannungen im Land angeheizt. Das in der östlichen Stadt Tobruk ansässige Abgeordnetenhaus habe "einmütig" für Ex-Innenminister Fathi Bashagha als neuen Ministerpräsidenten gestimmt, erklärte Parlamentssprecher Abdallah Blihek am Donnerstag.

Die Vereinten Nationen erkennen aber weiterhin Dbeibah als Regierungschef an, wie UN-Sprecher Stéphane Dujarric klarstellte. Das Votum für Bashagha dürfte den Machtkampf zwischen dem Parlament im Osten und der Regierung in Tripolis erneut anheizen

Dbeibah hat erklärt, dass er keine "parallele Autorität" im Land anerkennen und die Macht nur an eine aus allgemeinen Wahlen hervorgegangene Regierung abtreten werde. Der Milliardär war vor einem Jahr im Zuge der UN-Bemühungen um eine Befriedung des nordafrikanischen Landes beauftragt worden, Libyen übergangsweise zu führen und im Dezember Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abhalten zu lassen. Die Wahlen wurden jedoch wegen zahlreicher Konflikte und Rivalitäten abgesagt.

Dbeibah und Bashagha können jeweils auf die Unterstützung rivalisierender bewaffneter Gruppen zählen. Die UNO und westlichen Staaten dringen darauf, dass Dbeibah seine Mission erfüllt und die Organisation von Wahlen weiterhin vorantreibt.

Seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 wird Libyen von Gewaltkonflikten und Machtkämpfen erschüttert. Auch ausländische Soldaten und Söldnergruppen etwa aus Russland und der Türkei sind vor Ort in Kämpfe verwickelt. Gegen eine seit Oktober geltende Waffenruhe in dem Land wird immer wieder verstoßen.

Berichte über einen Anschlag

Nach den Angaben aus Regierungskreisen beschossen Unbekannte am Donnerstagmorgen den Wagen Dbeidas und flohen danach. Der Sender Al-Jazeera zeigte Bilder des Autos mit Beschädigungen an Karosserie, Windschutzscheibe und Scheinwerfer, bei denen es sich um Einschüsse handeln könnte. Die Nachrichtenagentur Reuters konnte den Wagen nicht in Augenschein nehmen und auch nicht mit Augenzeugen sprechen.

Seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 herrscht Chaos in dem ölreichen nordafrikanischen Land. 2014 spaltete es sich in eine östliche und eine westliche Kriegspartei. Der Kommandant der östlichen Bürgerkriegspartei, Khalifa Haftar, ist für viele Bürger im Westen des Landes ein rotes Tuch, seit er 2019/20 versuchte, Tripolis zu erobern und dabei Teile der Hauptstadt in Schutt und Asche legte. Er begrüßte am Donnerstag die Wahl von Bashagha. (APA, 10.2.2022)