Baumgarten an der March ist eine Gemeinde mit 185 Einwohnern, doch globalpolitisch ist der tupfenkleine Ort im Weinviertel von enormer Bedeutung. Denn hier ist einer der wichtigsten Knoten des europäische Gasleitungsnetzwerks, ein Thema, das seit dem Ukraine-Krieg erneut an Brisanz gewonnen hat. Die Frage, ob und wie lange wir noch unsere Wohnungen mit fossiler Energie heizen, wird heiß diskutiert.

Zu Recht heißt das Quartier in Wiener Neustadt Ein Viertel Grün.
Foto: Alpenland

An einer möglichen Antwort darauf wird 37 Kilometer westlich von Baumgarten gearbeitet. In Wolkersdorf ist derzeit das Zukunftshaus Österreich in Planung, ein Forschungsvorhaben, bei dem im Maßstab eins zu eins neue Erkenntnisse zur Errichtung leistbarer Wohnhäuser im Passivhausstandard gewonnen werden sollen. Dafür tut sich der niederösterreichische Bauträger Alpenland mit Treberspurg + Partner Architekten sowie Forschungseinrichtungen – Boku Wien, Universität Innsbruck – zusammen. Nicht aus Lust und Laune, denn seit Herbst 2018 sind "hocheffiziente alternative Energiesysteme" in Niederösterreich eine Voraussetzung für Wohnbauförderung.

Mehr als nur Passivhaus

Trotzdem geht das in den Planzeichnungen unscheinbar wirkende Haus mit acht Wohneinheiten weit über bisherige Passivhaus-Praktiken hinaus. Hier sollen anhand mehrerer Haustechnik- und Baukonzepte Zukunftsfragen beantwortet werden: Die Warmwasserbereitstellung mittels Wärmepumpe, der Einsatz thermisch aktivierter Bauteile, die optimale Regelungstechnik und – Pflichtaufgabe für den Wohnbauträger – die Frage, ob und wie Passivhäuser so gebaut werden können, dass sie im Rahmen der Wohnbauförderung leistbar sind. Gas und Fernwärme müssen dabei draußen bleiben, denn im Blick hat man hier die Zeit nach der Energiewende.

Eine erste Sondierungsstudie startete im April 2021. Dabei wurden mehrere mögliche Systeme miteinander verglichen, heißt es von der Boku. Das Ergebnis: Zum Einsatz kommen wird eine Zentralwärmepumpe mit Tiefensonde sowie dezentrale Kleinwärmepumpen in den Wohnungen in Kombination mit thermischer Bauteilaktivierung in den Betondecken, mit dem positiven Nebeneffekt der sommerlichen Kühlung; der Strom kommt von der Photovoltaikanlage. Der Baubeginn wird noch dieses Jahr erfolgen, ein Monitoringprozess ist angedacht.

Bei der Alpenland freut man sich jetzt schon darauf, mit diesem Forschungsprojekt bald handfeste Zahlen und Ergebnisse zur Verfügung zu haben, die eine Umsetzung auch auf breiter Basis mit mehr als acht Wohneinheiten ermöglichen. Denn mit einem Modell-Scale-up auf eine größere Anzahl von Wohneinheiten wäre eine Verschiebung der geringsten Investitionskosten von den dezentralen Wärmeversorgungssystemen hin zu den zentralen Systemen möglich. Begleitende Unterstützung für das Pilotprojekt sucht man sich bei der Niederösterreichischen Wohnbauforschung.

Ein grünes Stadtquartier

Die kleine Baustelle in Wolkersdorf ist nicht das einzige niederösterreichische Labor, auf dem die Alpenland den Wohnbau in Richtung der dringend mahnenden Klimaziele dirigieren will. In Wiener Neustadt wird auf dem Areal des ehemaligen Stadions ein ganzes grünes Stadtquartier entstehen, bei dem die gemeinnützigen Wohnbauträger Alpenland, EGW und Heimat Österreich mit fünf Architekturbüros insgesamt 495 Wohnungen errichten werden. Der schön klingende Name dafür: "Ein Viertel Grün".

Dafür wird ein Netz aus autofreien Grünräumen und Begegnungszonen etabliert, Sharingangebote sollen die Bewohner vom Auto weglocken. Ein Hoffnungsschimmer für die Stadt, die sich bisher vor allem durch Durchfahrts- und Umfahrungsstraßen, Kreisverkehre und enorme Bodenversiegelung auszeichnet. "Ein Viertel Grün kommt ganz ohne motorisierten Durchzugsverkehr aus", sagt EGW-Geschäftsführer Fritz Kittel bei der Projektvorstellung. "Das Auto kann dank der kurzen Rad- und Fußwege zu wichtigen Anlaufstellen der Infrastruktur getrost in der Garage bleiben."

Auch für Alpenland-Obfrau Isabella Stickler ist das Grün mehr als reine Dekoration: "Gerade die letzten Jahre haben den Wert von persönlichen Freiflächen und Grünraum in unmittelbarer Wohnumgebung ungemein gehoben. Wir bei Alpenland achten seit Jahren darauf, dass auch Grünflächen in unseren Konzepten integriert sind."

Und eines Tages, hoffentlich bald, wird die Energiewende auch im fossilen Niederösterreich bewohnbare Realität geworden sein. (Maik Novotny, 19.05.2022)