Claudia Widder, Elisa Jung und Louise Guillemot (von links) wohnen aktuell gemeinsam in einer Wohnung in Wien-Meidling.

Foto: Pollerhof

Die Mieten werden stetig erhöht, die Energiepreise explodieren, und die Inflation macht das alltägliche Einkaufen zu einem unangenehmen Gang zur Kassa. Auch Auszubildende, Studierende und andere junge Menschen stehen vor einer scheinbar unlösbaren Aufgabe: bezahlbaren Wohnraum finden.

Eine Alternative zum Piranhabecken, das der Wohnungsmarkt zum Teil darstellt, sind Aktionen wie Wohnbuddy. Das Konzept dahinter ist, alte und junge Leute zum Wohnen zusammenzubringen.

So auch in der Dreier-Generationenwohngemeinschaft von Claudia Widder (50), Elisa Jung (22) und Louise Guillemot (20). Claudia lebt in einer rund 150 Quadratmeter großen Eigentumswohnung im zwölften Wiener Gemeindebezirk. "Nachdem sich meine Tochter für ein Jahr ins Ausland verabschiedet hatte, wollte ich nicht in dieser großen Wohnung allein leben", sagt Widder.

Also wandte sie sich an Wohnbuddy. Das taten auch Jung, die für ihren Master aus Norddeutschland nach Wien gekommen ist, und Guillemot, die ihr Auslandsjahr in Wien verbringt.

Der Algorithmus matcht

Wer zusammenpasst, bestimmt zum einen ein Algorithmus, zum anderen die persönliche Entscheidung von Menschen wie Marlene Welzl, Co-Founderin von Wohnbuddy. Sie wertet die Fragebögen der Vermieterinnen und Mieter aus und sucht darin nach Gemeinsamkeiten. Dort wird beispielsweise erfragt, wie wichtig Sauberkeit ist oder wie der eigene Alltag aussieht. Wer zusammenpasst, bekommt ein Match. Wer kein direktes Gegenstück hat, für den wird weitergesucht.

"Bei uns war es die Literatur", erzählt Widder. "Sowohl Elisa als auch Louise haben beide mal Philosophie studiert und lesen sehr gerne. Dann haben wir uns vorher per Videokonferenz kennengelernt und schließlich zugesagt." Elisa Jung und Louise Guillemot zahlen für ihre jeweils 15 Quadratmeter großen Zimmer je 300 Euro. Den Rest der Wohnung dürfen sie natürlich mitbenutzen, das gilt auch für die Dachterrasse.

Die beiden Studentinnen hatten zwar Lust darauf, mit anderen Menschen zusammenzuwohnen – aber nicht auf die ewige Odyssee der WG-Castings. Vom Ausfüllen des Fragebogens bis zur Zusage sind bei beiden keine vier Wochen vergangen.

Vor allem während der Corona-Zeit sei die WG ein guter Ort gewesen, um sich, obwohl sie weit von der Heimat entfernt waren, nie allein zu fühlen. "Wir haben viel in der Küche gepaukt, und dann kam irgendwann Claudia rein und hat mit uns geplaudert, es war immer Abwechslung da", erzählt Jung. "Und die beiden singen sehr gut, es war immer Musik im Haus", ergänzt Widder.

Spezielle Klausel

Eine vertragliche Vereinbarung, dass die beiden jungen Mitbewohnerinnen im Alltag helfen, gibt es nicht. Widder kann mit 50 Jahren eh noch alles allein. Das ist aber nicht immer so. Viele Wohnbuddy-WGs existieren mit einer speziellen Klausel im Vertrag, mit der die jungen Mieter sich dazu bereiterklären, den älteren Vermieterinnen und Vermietern für ein paar Stunden in der Woche auszuhelfen. Im Gegenzug ist der Mietpreis geringer.

Bei Widder war es anders. Bevor Jung und Guillemot einzogen, hatte sie Abas aufgenommen, einen Geflüchteten aus Afghanistan. "Ich habe ihm dann beim Asylantrag geholfen oder beim Deutschlernen", erzählt sie. Heute hätten sie immer noch Kontakt. Widder war früher in der Personalvermittlung tätig, vor allem mit Menschen über 50, und weiß, wie schwierig es ist, Jung und Alt zusammenzuführen.

Dass junge Menschen in den Privatwohnungen von Älteren unterkommen, ist nur eine Form des Lebens bei Wohnbuddy. So können junge Menschen auch in freistehende Zimmer in Senioren- oder Pflegeheimen einziehen. Hier wird dann eine bestimmte Stundenzahl pro Woche festgelegt, die die ungewöhnlich jungen Bewohnerinnen und Bewohner mit ihren Hausnachbarn verbringen sollen. Dabei handele es sich aber nicht um Ersatzpflegedienste, betont man bei Wohnbuddy. Von Brettspielen über gemeinsame Filmabende bis hin zu App-Workshops für die ältere Generation – der Fantasie der jungen Leute ist dabei keine Grenze gesetzt.

Neue Eindrücke

Eine soziale Ader sollte man aber schon mitbringen, sagen auch Jung und Guillemot. "Toleranz, Empathie, das sind schon wichtige Eigenschaften. Und wenn man sie nicht hat, eignet man sie sich so auf jeden Fall an", sind sich beide einig. Immerhin ist das Leben in einer Generationen-WG nicht so unterschiedlich zu einer herkömmlichen Wohngemeinschaft. "Einen Putzplan haben wir aber nie gebraucht", sagt Widder.

So eine Wohnbuddy-WG hält allerdings nicht ewig. Widders Tochter kommt bald aus dem Ausland zurück und wird ihr Zimmer wieder beziehen. Für Elisa Jung geht es über den Sommer weg, dann will sie sich etwas anderes in Wien suchen, "um wieder neue Eindrücke zu erleben". Und Louise Guillemot geht für das Studium wieder nach Großbritannien. (Thorben Pollerhof, 17.6.2022)