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Es half mit, arme Sommerfrischler vor dem drohenden Hungerkollaps zu bewahren: das "Appetitbrot" (hier in einer Sparvariante).

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Vielflieger hinterlassen gigantische ökologische Fußabdrücke: so groß wie von Conan der Zerstörer. Umso wichtiger der sommerliche Appell zur Naherholung: Mit der ÖBB-Sparschiene gelangt man im Handumdrehen in den finsteren Wald. Es gibt dort genug Gelegenheiten, sich fremd zu fühlen im eigenen Land.

Schon in der Aufbruchszeit der Ära Kreisky machte sich ein feriales Sowohl-als-auch-Gefühl bemerkbar. Immerhin gestand der Sozialdemokrat einmal knurrend, einen Urlaub in Kärnten könne er sich nicht leisten! Von solchen Erwägungen unangefochten, verbrachten meine Oma – die, die noch lebte – sowie meine Tanten die Hundstage dennoch einheimisch: in einem der malerischen "Luftkurorte".

Als kleiner Babyboomer, der öfter auf Besuch erschien, kam ich aus dem Staunen nicht heraus. Der Tagesablauf der Sommerfrischler gehorchte einzig den Erfordernissen des Stoffwechsels. War das Mittagessen geschafft, waren die Greisinnen bereits mit der bangen Frage beschäftigt, wie denn nun Appetit zu wecken sei: auf die gute Jause. Nach dem obligatorischen Mittagsschläfchen wurde pflichteifrig die Waldpromenade aufgesucht. Der Weg führte entlang an den immer selben Bäumen, Zäunen und Sträuchern. Nicht nur Kopf und Seele weiteten sich, endlich war auch im Magen wieder Platz. Prompt floss der koffeinfreie Kaffee in Strömen.

Schnödes Versagen

Hartnäckige Fälle von Appetitlosigkeit wurden in diesen Bootcamps der Sommerfrische mit Nachdruck kuriert. Das "Appetitbrot", eine mürbe Brotscheibe mit Aufschnitt und Fächergurke, wurde aufgetischt. Umsonst: Es gab Urlauberinnen, die mit tränenerstickter Stimme ihr Versagen einbekannten. Nicht das geringste Hungergefühl! Und in knapp zwei Stunden wartete schon Abendessen: Grießkoch, Auflauf oder Scheiterhaufen.

Ich tat wie jeder pflichteifrige Enkel: Ich genoss nicht nur mein wohlverdientes Stück Kuchen. Ich nahm mich auch des verschmähten Appetitbrots an. Bald wehte der Wind über die Stoppelfelder. Die kurzen Hosen spannten. Ich war zufrieden und begriff: Man musste nicht weit reisen, auch nicht fliegen, um ins Schlaraffenland zu gelangen! (Ronald Pohl, 6.7.2022)