Dass es bei der Taiwan-Frage um einen der größten geopolitischen Konflikte unserer Zeit geht, war China-Kennern schon immer bewusst. Denn die Insel mit ihren 21 Millionen Einwohnern trägt eine Altlast aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg auf ihren Schultern. Zwar erfüllt Taiwan alle Kriterien einer souveränen Demokratie. Nur als eigenständigen Staat bezeichnen darf es sich nicht – so will es Peking. Und so gedieh Taiwan im Schatten.

China startete am Donnerstag als "Kampfübung" ein mehrtätiges Militärmanöver in der Nähe von Taiwan.
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Wer die Insel bereist hatte, schwärmte meist. Im Gegensatz zum Festland, wo Kulturrevolution und kommunistische Ideologie eine kulturelle Wüste hinterlassen haben, konnte man in Taiwan noch tatsächlich die faszinierende chinesische Zivilisation erleben. Kombiniert wird das mit einer der modernsten Wirtschaften der Welt. Taiwan ist nach wie vor der beste Beweis dafür, dass sehr wohl zusammengeht, was laut Peking nicht zusammenpasst: China und Demokratie.

Dass die Insel und ihre Bedeutung für die Welt nun durch den Besuch von Nancy Pelosi ins globale Rampenlicht gerückt sind, mag sein Gutes haben. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass man sich diesem Thema schon früher hätte widmen können. Denn westliche Unternehmen und auch Staaten haben sich jahrelang Pekings Druck gebeugt und es oft in vorauseilendem Gehorsam vermieden, klar Stellung in dem Konflikt zu beziehen. (Philipp Mattheis, 5.8.2022)