Es gibt ein neues Luxushotel in Wien, von der Hongkong-chinesischen Rosewood-Gruppe, es steht am Graben, das Restaurant ist auf dem Dach. Es heißt Neue Hoheit. Mit einem Namen wie diesem wird eindeutig Position bezogen.

Die Neue Hoheit. Man liegt nicht falsch, wenn man das Restaurant als Ort für jene interpretiert, die oben angekommen sind. Von hier lässt es sich gut herabblicken. Hinunter, auf die Innenstadt, auf das Volk, das von hier oben regelrecht pittoresk ausschaut. Die Neue Hoheit ist ein Restaurant, wie es im Wien der Zwanzigerjahre schon seit längerem gefehlt hat.

Dachschräge als Distinktionsmerkmal: die "Neue Hoheit" im obersten Stock des neuen Luxushotels Rosewood in der Innenstadt.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Es ist ein ziemlich gravitätischer Dachausbau, den die Rosewood-Leute aus Hongkong auf das einstige Stammhaus der Ersten österreichischen Sparkasse gesetzt haben. Über die ganze Länge des Baus, vom Graben bis weit in die Tuchlauben (von wo man über einen kontrapunktisch winzigen Kobel in den Aufzug nach oben gelangt), wurden bodentiefe Dachschrägenfenster verbaut, edles Holz und Stein sowieso. Hofseitig kam ein imposanter, marmorner Dachgarten samt ausgewachsener Sonnenschirm-Kiefer dazu. Über eine schmale Treppe gelangt man aufs Juchhe, zu einer winzigen Bar mit Terrasse und Ausblick auf die Kaiserstadt. Hier mixen bundesdeutsche Bartender mit schnoddriger Frische Cocktails, die den Bundesländern von Restösterreich gewidmet sind. Kein Zweifel: So einen Ort vergisst man nicht so schnell.

Servicefloskeln

Die Wartezeit auf einen Tisch im Restaurant beträgt zwei Wochen, mittags geht es einfacher. Wie viele der Penthouses auf benachbarten Dächern dunkel, unbewohnt und nur als Asset im Portfolio lebendig sind, erkennt man erst nach Sonnenuntergang. Wie viele Tische trotz des Gästedrucks frei gehalten werden, ist nur auf ersten Blick erstaunlich. Zwar wuselt es vor adrettem Personal, das dem Gast mit eingeätztem Strahlelächeln Servicefloskeln von uniform einstudierter Herzlichkeit entgegenknattert. Dem Vernehmen nach ist aber die Küche personell noch nicht so ausgestattet, wie es die langen Tischfluchten verlangen würden.

Mit Bernhard Stocker als Küchenchef ist zumindest die Spitze sehr ordentlich besetzt. Der Mann kann Wiener Küche auf Niveau, international geht aber auch. Shrimpscocktail etwa, der wird unorthodox auf einem mächtigen Teller drapiert, die fetten Garnelen strotzen förmlich vor Knack und Saft (wenn auch nicht vor Aroma), die Sauce Mary Rose ist klassisch mit Cognac und Chili abgeschmeckt, obendrauf wird frischer Kren gerissen. Passt gut, frischer Wind für ein museales Horsd’œuvre.

Ein eher klebsaucig interpretierten Coq au Vin
Foto: Gerhard Wasserbauer

Zwei Finger Brot

Lobster Roll geht dafür nach hinten los, ein kaum zweifingerbreites, in brauner Butter geröstetes Brötchen mit reichlich Mayo und wenig Hummer ist keine Idee, die 21 Euro wert wäre. Viel besser: der kurz und wirklich sauer marinierte Saibling, eine saftige, seidig schlüpfrige Delikatesse, mit Ribisel und Limettenfilets fruchtig (und nicht minder sauer) aufgeladen, mit Sauerrahm und roter Zwiebel konterkariert – Top-Gabelbissen, wenn es wieder einmal zu viel des Krugs war. Rindsgulasch, um 25 Euro plebs-sicher gepreist, hat tadellose Wirtshausanmutung, nur die Butternockerln geraten breiig – Semmerl bitte! Steaks und Siedefleisch gibt es ebenso wie einen eher klebsaucig interpretierten Coq au Vin (siehe Bild). Viel besser: der Croque Madame von der Mittagskarte, ein Schinken-Käse-Toast aus der Oligarchenriege (€ 19), mit köstlich käsig gratinierter Béchamel und punktgenau gebratenem Œuf à la coque. So ein Toast macht auch an echt komischen Orten froh. (RONDO, Severin Corti, 23.9.2022)

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