Walküren-, Brunhilden- und Hagengasse, dazu Markgraf-Rüdiger-Straße, Alberichgasse, Vogelweid- und Kriemhildplatz: Hinter der Stadthalle liegt ein charmantes Grätzel voller Alleen und Plätze, dem auch das furchterregend wagnerianische Leitmotiv bei der Namensgebung nix anhaben kann. Wer so prachtvolle Bäume vorm Fenster hat, der lässt den Teutonen in der Postadresse nonchalant an sich abtropfen. Noch dazu, wo diese zart zerlepperte Cottage von Fünfhaus gleich zwei bemerkenswerte Lokale vorweisen kann: das legendäre Billardcafé Kriemhild und den epochal hässlichen Mader gleich nebenan, der seine bürgerliche Küche im Eichendekor rustikal mit stets breiter Brust darzubringen wusste.

Entschlackte Wirtshauslegende: Das Restaurant Mader hinter der Stadthalle wurde von den Kriemhilds nebenan übernommen.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Kriemhild ist schon seit dem Vorjahr von einer Truppe junger Gastronomen übernommen, die es mit lässigem Understatement gerade so entstaubt (und, vor allem, von der bösen Zwischendecke befreit) haben, dass die Hütte beinahe unverändert, aber deutlich unbeschwerter, fast anmutig wirkt. Tadellosen Cynar Sour gibt es außerdem. Als im Sommer das Mader übernommen wurde, nahmen die neuen Nachbarn sich auch dieses Patienten an – mit ähnlicher Therapie: Zwischendecke raus, Bogenfenster leuchten lassen, ein paar coole Luster dazu, fertig. Das Eichendekor und die altdeutschtümelnde Monsterschank durften bleiben, die Küchen- und Servicemannschaft ebenso.

Grün, lokal, biologisch

Dafür bekam die Speisekarte ein radikales Makeover. Wo früher Fleisch, nochmal Fleisch und dazu die eine oder andere Innerei den Ton angaben, spielt’s jetzt Gemüse. Fleisch und Fisch gibt es schon noch, die kommen aber, wie das Grünzeug, so gut wie ausschließlich aus Bio-Landwirtschaft. Das ist in unserer Gastro generell eine Ansage, in Fünfhaus grenzt es an Siegfried’schen Heldenmut. Wie sich die damit unvermeidliche Preiserhöhung auf die Stammklientel auswirkt, wurde an einem Mittwochabend anschaulich: ein Tisch besetzt. Immerhin, gegen 21 Uhr kamen nach Trainingsschluss noch eine Handvoll Eishockeyspieler auf Bio-Schnitzel und Bier. Das gibt es in breiter Auswahl vom Fass, ausschließlich aus dem Heineken-Konzern. Immerhin: Mit der Hopfenperle ist das letzte noch nicht zu Süß-Gschloder niedergebügelte Österreich-Produkt des Braukonglomerats auch dabei. Dafür präsentiert sich die Weinkarte, mit feinen Flaschen von Weninger (Kalkofen!) bis Markus Altenburger (Neuburger Flieger!), umso animierender.

Die Speisekarte bekam ein radikales Makeover.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Schnitzel vom Schwein gerät sehr ordentlich, der Erdäpfel-Vogerlsalat würde einen Hauch mehr Zwiebel-Bissigkeit vertragen. Ob eine Scheibe gebratenen Apfels, getoppt mit Beerenkompott, eine zulässige Garnitur darstellt? Keine Ahnung, vielerorts wird bekanntlich sogar Marmelade dazugelöffelt. Bio-Kalbswiener aus dem Butterschmalz gibt es auch, um 23,90 Euro wird das sogar zu einem richtigen Kampfpreis ausgerufen.

Steinpilz, seriös

Was die – ganz offenbar frisch gecoachte – Küchenmannschaft an vegetarischer Küche zeigt, macht echt Freude. Das Steak vom Muskatkürbis ist außen knusprig, innen butterweich und zart blätternd, dazu gibt’s schwungvoll gewürzte Kürbiscreme mit Chili-Kick und angenehmer Säure sowie Friséesalat mit schwarzen Bohnen: bester Kürbis seit langem. Die Piroggen, mit Waldpilzen gefüllt und mit Dillrahm kombiniert, sind dann schlicht fantastisch: herrlich schlüpfriger Teig, kraftvolle Fülle mit sehr seriösem Steinpilz-Anteil, viel Dill im Rahm. So herzerwärmend köstliche Piroggen findet man auch in Polen nicht oft. Vorneweg gibt es, siehe Bild, richtig gute Bio-Entenleberpâté, köstlichen Speck oder ein in der Pfanne gebratenes, mit Kraut gefülltes Fladenbrot, das leider hauptsächlich nach Fett schmeckt. Und hinterher? Gundel-Palatschinken, bei Tisch mit Inländerrum flambiert. So süß schmeckt nur die Nostalgie! (Severin Corti, 28.10.2022)