Wien – Im Resselpark steht ein Whiteboard, auf das mathematische Formeln aufgezeichnet wurden. Es ist eine Vorlesung – im Freien. Davor gestikuliert ein Professor: Er versucht mit viel Ehrgeiz, seinen Studierenden den Salat aus Buchstaben und Ziffern verständlicher zu machen. Junge Menschen sitzen auf Heurigenbänken und schreiben aufmerksam mit. Hinter ihnen: die Karlskirche.

In den Park mit Aussicht auf das berühmte Wahrzeichen zog es die Studentinnen und Studenten aus einem unerfreulichen Grund: Der Technischen Universität (TU) fehlt das Geld. Rektorin Sabine Seidler gab am Montag bekannt, dass sie mit der baldigen Zahlungsunfähigkeit der TU rechne. Mit dem Unterricht im Freien sollte auf die prekäre Lage der Universitäten aufmerksam gemacht werden. Die Outdoor-Vorlesungen waren Teil eines Aktionstags der TU, um für ein höheres Budget an Hochschulen zu protestieren.

Die Studentinnen und Studenten wünschen sich von der Bundesregierung mehr Geld für die Hochschulen.
Foto: APA/ Eva Manhart

Im Schildermeer des anschließenden Demozugs, der vom Karlsplatz bis zum Bildungsministerium führt, sind die Sorgen und Forderungen eindeutig: Bildungsminister Martin Polaschek solle mehr Geld für die Hochschulen budgetieren. "Martin Polaschek, du sparst uns die Uni weg" und "Kaltes Bier statt kalter Uni" sind nur zwei von vielen Sprüche. Neben der Sorge vor der finanziellen Katastrophe für die TU fürchten viele Studierende ohne zusätzliche Mittel eine Rückkehr ins Distance-Learning.

Finanzielle Notlage

"Wenn Unis die Betriebskosten nicht stemmen können, drohen verpflichtende digitale Lehre oder kalte Lehr- und Lernflächen, was Studieren zur Qual macht", ist Felix Kofler von der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) überzeugt.

Allein auf die TU kommen wegen steigender Kosten im Energiebereich Mehrkosten von rund 170 Millionen Euro zu. "Nicht weil wir über unsere Verhältnisse gelebt oder schlecht gewirtschaftet haben. Die äußeren Rahmenbedingungen haben sich geändert", sagt Seidler und erinnert an Inflation und steigende Energiepreise. Sie ist zugleich Vorsitzende der Universitätenkonferenz (Uniko) und forderte aufgrund der Teuerung eine Aufstockung des Uni-Budgets auf 1,2 Milliarden Euro bis 2024. Im Budget ist nur eine Erhöhung um 500 Millionen Euro vorgesehen.

"Wär die Uni eine Bank, wär' sie längst gerettet": Der Unmut bei den Studentinnen und Studenten war groß.
Foto: APA/ Eva Manhart

Das Bildungsministerium verweist weiter auf die laufenden Gespräche mit der Uniko. Änderungen beim anstehenden Budget schließt man aber weiterhin aus. Gleichzeitig könnte es aber Entlastungen bei Ausgabenposten wie Miete oder Energie geben, außerdem beobachte man die Lohnverhandlungen und könne gegebenenfalls nach deren Abschluss reagieren, hieß es auf APA-Anfrage im Ministerium.

Betrieb von Laboren gefährdet

Die Protestierenden, darunter Studierende und Lehrpersonal, befürchten durch das fehlende Budget gravierende Einschnitte im Studienalltag. "Durch das unzureichende Budget droht der Betrieb an der TU massiv an Qualität zu verlieren", sagt Georg Steinhauser, Professor für angewandte Radiochemie, im Gespräch mit dem STANDARD. Neben der Beheizung der Hörsäle könne es auch zu einem Problem werden, chemische Labore entsprechend zu belüften, fügt Steinhauser hinzu. Norbert Pfeifer, Vorsitzender des Senats der TU Wien, warnt davor, dass ohne Zusatzbudget bloß theoretische Lehre im Hörsaal möglich sein werde, da der Betrieb der nötigen Geräte für die TU zu teuer wäre.

Die Demo zog vom Karlsplatz über den Ring zum Bildungsministerium.
Foto: APA/ Eva Manhart

Damit die Universitäten sicher durch den Winter kommen, brauche es eine umfassende Unterstützung aus dem Bildungsministerium und eine Deckelung der Mehrkosten durch die Teuerung, heißt es von der ÖH. Dem Aufruf der TU zum Aktionstag haben sich auch andere Hochschulvertretungen angeschlossen. Die Vertretungen der Universität Wien, der Universität für Bodenkultur, der Akademie der bildenden Künste, der Medizinischen Universität Wien und der Universität Salzburg unterstützen die Forderungen. Rund 9000 Studentinnen und Studenten waren laut den Veranstaltern bei der Demonstration am Montag dabei.

Auch SPÖ und Neos üben Kritik: "Dieses Hochschulbudget garantiert geradezu das Eintreten sämtlicher Horrorszenarien", findet SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl. "Die Proteste sind ein weiterer Beweis dafür, wie zukunftsvergessen die Regierung Budgets erstellt", sagt Martina Künsberg Sarre von den Neos. (Max Stepan, 7.11.2022)