Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und die österreichische Bundesregierung hängt in den Seilen. Ein Großprojekt nach dem anderen scheitert auf offener Bühne: Auf die geplante Arbeitsmarktreform konnten sich ÖVP und Grüne nicht einigen – das wird sogar reumütig zugegeben. Jenes versprochene Gesetz, durch das der Einbau neuer Gasheizungen untersagt werden soll? Wurde verschoben. Ein verbindliches Klimaschutzgesetz? Fehlanzeige. Die große Transparenz-Initiative? Hängt in der ewigen Warteschleife.

Die Regierung unter Bundeskanzler Nehammer und Vizekanzler Kogler hängt in den Seilen.
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Die Regierung argumentiert, dass in diesem Jahr auch vieles gelungen ist. Das stimmt. Es gab mehrere (wenig treffsichere) Hilfspakete gegen die Teuerung, die kalte Progression wurde (weitgehend) abgeschafft, ein (niedriger) CO2-Preis gilt seit Oktober, nun werden die Maklergebühren (doch) reformiert. Aber unabhängig von Erfolg und Misserfolg in den vergangenen Monaten muss die Regierung jetzt nach vorne schauen und der Bevölkerung erklären, warum und woran sie bis zum regulären Wahltermin 2024 noch arbeiten wird. Ansonsten verliert sie ihre Daseinsberechtigung.

Da reicht es auch nicht, wenn Türkis-Grün stückerlweise ein Kleinprojekt nach dem nächsten abarbeitet. Nach einem Jahr voller Krisen und Sorgen, nach einem Jahr mit neuem Kanzler und einer neu zusammengesetzten Regierungsmannschaft, nach drei Jahren, in denen sich das Leben und die Perspektiven in Österreich weitreichend veränderten – da haben sich die Bürgerinnen und Bürger ein neues Regierungsprogramm verdient. Eine Ansage, was diese Koalition noch antreibt und womit man 2023 und 2024 rechnen darf – bevor dann (spätestens) der Wahlkampf alles überschattet.

Transparente Sachpolitik

Ja, es gibt ein bestehendes Regierungsprogramm. Darin finden sich auch einige wichtige Punkte, die noch nicht umgesetzt wurden. Zum Beispiel eben ein Klimaschutzgesetz, durch das der Weg skizziert werden müsste, wie Österreich seinen CO2-Ausstoß bis 2040 tatsächlich reduziert. Auch ein Informationsfreiheitsgesetz mit der Abschaffung des Amtsgeheimnisses ist bereits im alten Abkommen festgeschrieben. Doch niemand in der Regierung will derzeit sagen oder versprechen, ob all diese Kernvorhaben noch Wirklichkeit werden. Deshalb braucht es ein neues Papier – mit verbindlichen Zielen, an welchen Projekten die Koalition nun arbeitet. Und dann müssen ÖVP und Grüne (weiter)verhandeln und um Einigungen ringen – unter Beobachtung der Öffentlichkeit und dem damit einhergehenden Druck.

Das wäre dann auch jene sachorientierte Politik, die sich ÖVP und Grüne ohnehin gern auf die Fahnen heften. Und transparente Sachpolitik wird einer der wenigen Wege aus der großen Krise sein, in der die Politik heute steckt. Noch nie haben die Österreicher den Mächtigen so wenig vertraut wie aktuell. Die Regierung ist besser als ihr Ruf – auch wenn das nicht schwer ist. Jetzt müssen ÖVP und Grüne erklären, was sie noch vorhaben. Oder zugeben, dass nicht mehr viel geht. (Katharina Mittelstaedt, 19.12.2022)