Will eine Region in Sachen Forschung aufholen, ist das mit hohen Kosten verbunden.

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40 Millionen Euro fließen in insgesamt 28 Vorhaben zum Auf- oder Ausbau der "(Digitalen) Forschungsinfrastruktur" an Universitäten in ganz Österreich. Das gab das Bildungsministerium am Donnerstag bekannt. Die Projekte reichen vom quantenphysikalischen Glasfasernetzwerk über genetische Datenbanken bis zu Anwendungen in den Bildungs-, Geistes-, Sozial- oder Kulturwissenschaften.

Die Nachfrage nach der im Rahmen der Förderschiene "(Digitale) Forschungsinfrastruktur" vom Ministerium abgewickelten Ausschreibung lag um fast das Dreifache über dem verfügbaren Budget: Das beantragte Fördervolumen belief sich auf 115 Mio. Euro. Insgesamt wurden 69 Projekte von 21 Unis eingereicht.

28 Projekte von 19 Universitäten

Mit bis zu vier Millionen Euro pro Vorhaben werden nun 28 Projekte von 19 Universitäten gefördert. Die nunmehrige Auswahl bereitete eine Kommission bestehend aus Vertretern des Ministeriums, der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und der Universitätenkonferenz (uniko) vor.

Ein Schwerpunkt liege nun auf Projekten "mit freier Zugänglichkeit und Verfügbarkeit zu Forschungsdaten und zur Infrastruktur selbst", so Minister Martin Polaschek (ÖVP). Für die "Nutzung von Big Data, künstlicher Intelligenz, Virtual Reality und Ähnlichem in der Forschung" brauche es "High Performance Computer und hochauflösende Geräte auf dem neuesten Stand der Technik".

Quantennetzwerk und virtuelle Aufführungsorte

Unter den geförderten Projekten findet sich etwa das von der Technischen Universität (TU) Wien koordinierte "Austrian Quantum Fiber Network – Connections AQUnet_Connect". Hier soll ein mit Hilfe der Atomuhr beim Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) erzeugtes Signal im quantenphysikalisch modifizierten akademischen Glasfasernetz über die Standorte an der TU und Universität Wien sowie den Unis Linz und Innsbruck verteilt werden.

Unter der Leitung der Uni Linz soll ein speziell auf Pädagogen abgestimmtes Innovationslabor entstehen, in dem neue Methoden zur Vermittlung von Naturwissenschaften, Mathematik oder Technologie vermittelt werden. "Digitale Zwillinge" von Aufführungsorten will etwa die Kunstuniversität Graz entwickeln. Diese virtuellen Räume sollen es Künstlern ermöglichen, "unter Realbedingungen ihre Aufführungen zu konzipieren und etwa Proben durchzuführen, ohne bereits vor Ort sein zu müssen", heißt es.

Pionier-Regionen nur mit "enormen Kosten" einholbar

Für eine international maßgebliche Position mögen die 40 Millionen Euro wohl zu wenig sein, wie eine aktuelle Studie zeigt: Wer in einem Forschungsfeld führend sein will, muss nämlich viel und früh investieren. Sind sie dabei erfolgreich, profitieren Regionen weiterhin vom Pionierstatus: "Sobald sich eine Region als führend etabliert hat, wollen alle dorthin", so Stefan Thurner, der mit anderen Forschern des Wiener Complexity Science Hub (CSH) die Mobilität von Wissenschaftern untersuchte. Will eine Region aufholen, ist das mit großen Kosten verbunden, aber – wie das Beispiel China zeigt – möglich.

"Frühe Investitionen in aufstrebende Forschungsbereiche spielen eine wesentliche Rolle, um später darin führend zu werden", meint CSH-Forscher Vito D. P. Servedio, einer der Autoren der im Fachmagazin "Chaos, Solitons & Fractals" erschienenen Studie. Etablieren Pioniere ein Forschungsfeld oder eine Technologie, erhöhe das die Wahrscheinlichkeit, dass Forscherinnen und Forscher in dieses neue Umfeld wechseln – starke Regionen werden also noch stärker. Kompetenz ziehe Kompetenz an, für Wissenschafter gebe es auch außerhalb der akademischen Laufbahn Jobmöglichkeiten, erklärte Thurner.

Eingekaufte Fachleute

Benötigt werden finanzielle Mittel sowie Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Eine Mindestanzahl, die eingestellt werden muss, um ein neues Forschungsgebiet zu beginnen und voranzutreiben, gibt es laut der Studie allerdings nicht. Diese Erkenntnis widerspreche der gängigen Meinung, stellte Thurner klar.

Wer sich nicht als Pionier etabliert und deshalb einen Rückstand aufzuholen hat, muss "führende Leute im wahrsten Sinn des Wortes einkaufen", so Thurner. Damit für die neue Region dieselbe Anziehungskraft entstehe, brauche es ähnlich viele und ähnlich gute Leute. Beim Aufholen müssen Regionen also mit enormen Kosten rechnen – anders, als wenn man anfänglich ein paar Wissenschafterinnen und Wissenschafter weniger intensiv fördere.

Chinas Aufholjagd

Diese Kosten hat etwa China auf sich genommen. Die chinesische Halbleiterforschung habe Servedio zufolge ihren Aufholprozess Ende der 1970er Jahre begonnen und es heute zur dominierenden Rolle gebracht. Der asiatische Staat schließe zu den USA auf. "Auch wenn Pioniere Vorteile haben, ist es nicht unmöglich, dass Nachzügler in einem wissenschaftlichen Bereich aufholen oder sogar die Erstplatzierten übertreffen können", erklärte CSH-Forscherin Márcia R. Ferreira.

Der Erfolg einer Region wurde daran gemessen, wie viel Output ein Wissenschaftsfeld produziert. Laut Servedio wurden dafür "Daten aus mehreren Jahrzehnten mit Informationen über viele Millionen Publikationen von etwa 20 Millionen Forschenden und mehr als 98.000 Forschungseinrichtungen weltweit" analysiert. (red, APA, 29.12.2022)