Am liebsten wäre die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eine Behörde, die nahezu mechanisch operiert. Sie erfährt von einem Verdacht, ermittelt, stellt ein oder klagt an und lässt dann ein unabhängiges Gericht urteilen. Fertig, aus, Ende.

Doch die WKStA ist in einer Realität gefangen, die nahezu das Gegenteil ihrer Wunschvorstellung darstellt. Ihre Verfahren werden von der Öffentlichkeit und der Politik mit Argusaugen beobachtet, jeder Schritt kann politische Konsequenzen haben. Eine Hausdurchsuchung ist eben nicht nur eine Verfahrensmaßnahme, um nach Indizien zu suchen – sondern sie kann für den Betroffenen auch ein Rücktrittsgrund sein.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist in einer Realität gefangen, die nahezu das Gegenteil ihrer Wunschvorstellung darstellt.
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Aus diesem grundlegenden Missverständnis und Missverhältnis zwischen politischem und rechtlichem System kann die WKStA nicht entfliehen. Sie wird von ihren Kritikern und Unterstützern nahezu zwangsläufig als politische Akteurin begriffen – und jahrelang hegte auch ihre Fachaufsicht im Ministerium diese Vermutungen. Daher wird ein Freispruch in einer anderen Causa wie dem Fall Chorherr zwangsläufig als Argument dafür genutzt, dass Sebastian Kurz ungerechtfertigterweise als Kanzler zurücktreten musste.

Um den Zustand der WKStA zu analysieren, müssen diese Vermischungen wieder entflochten werden. Auf der politischen Ebene muss festgehalten werden, dass die WKStA ohne Ansehen der Parteizugehörigkeit ermittelt. Angeklagt wurden von ihr rote, schwarze, blaue und grüne Politiker. Dass die ÖVP so im Fokus der Ermittlungen steht, hat – neben den mutmaßlich gesetzten Handlungen – den Grund, dass ein gewisser Thomas Schmid sein Back-up voller Chats nicht gelöscht hatte. Wer wirklich glaubt, die WKStA würde bei einem ähnlichen Datenfund auf roter oder blauer Seite nicht ermitteln, ist paranoid.

Brisante Verdachtsmomente

Bei der rechtlichen Auseinandersetzung mit der Arbeit der WKStA wird es schon diffiziler. Viele Staatsanwälte dort neigen dazu, sich in Sachverhalte zu "verbeißen". Es werden brisante Verdachtsmomente aufgedeckt, dann wird reihum meist akribisch ermittelt. Doch oft gelingt es der WKStA nicht, ihre vielen Erkenntnisse überzeugend vor Gericht zu präsentieren. Auch da prallen zwei Welten aufeinander: jene der Richter, die harte Beweise fordern, und jene der WKStA-Staatsanwälte, die sich bewusst sind, dass sich Korruption in den seltensten Fällen glasklar darlegen lässt.

Für Beschuldigte ist all das natürlich unangenehm, sie sollten fair für ihren Aufwand entschädigt werden. Aber auch hier muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden: Auch in "normalen" Verfahren, etwa bei Suchtgift- oder Gewaltdelikten, ist es für Beschuldigte unangenehm – und die können sich oft keinen guten Rechtsanwalt leisten oder über Medien Litigation-PR betreiben.

Die erstinstanzlichen Freisprüche im Chorherr-Prozess wirken wie eine Watsche für die WKStA – ganz stimmt das aber nicht. Die Anklage wurde, mit all ihren Flüchtigkeitsfehlern, sowohl vom Justizministerium als auch vom Oberlandesgericht Wien überprüft und freigegeben. Und: Chorherr selbst beantragte während der Ermittlungen eine Diversion und räumte Fehler ein. Da war also schon was dran, wenn auch nicht genug.

Aber das ist eben auch eine Aufgabe der WKStA: die schiefe Optik mit der Lupe zu begutachten und dann ihre Erkenntnisse zu präsentieren. (Fabian Schmid, 24.1.2023)