Art-déco-Stimmung, exklusive Gemäldesammlung und sehr nobles Essen dazu: So speist man im Hotelrestaurant Glasswing.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Früher hieß das Hotel The Ring nach der geografischen Lage, nunmehr nennt es sich The Amauris, nach einem Schmetterling. Es hat sich nach aufwendigem Umbau auch wirklich hübsch entpuppt – speziell in der Beletage erkennt man nun, was man zuvor kaum erahnen konnte: Das Haus war einst das zweite prächtige Ringstraßenpalais der Familie Ephrussi – bevor sie 1938 vor uns und der Vernichtung fliehen musste.

Auch das Restaurant heißt nach einem Schmetterling, dem Greta oto, der auf Englisch Glasswing genannt wird, weil er großteils durchsichtige Flügel hat. Das am Eck zur Akademiestraße untergebrachte Lokal hat aber auch sehr transparente Glastüren zum Ring, die im Sommer vollständig geöffnet werden und in einen edlen Schanigarten münden sollen. Küchenchef Alexandru Simon ist in Frankreich geboren, er wurde vom The Ring übernommen und hat mit Stationen wie Panhans am Semmering, Victoria Jungfrau in Interlaken, Schloss Velden, Grand Hotel Bellevue in Gstaad, Grand Hotel Wien und eben The Ring eine makellose Luxushotelkarriere hingelegt.

Für das Glasswing scheint ein eindeutiger Auftrag an ihn ergangen zu sein: Michelin-Stern bitte! Dementsprechend kompromisslos werden edle und edelste Zutaten aufgefahren, von Salzburger Kaviar bis zu kapitalen Scampi aus dem Kattegat, von Rehrücken bis Perigord-Trüffel, von Gillardeau-Austern bis zu im Burgenland frisch gezogenem Wasabi.

Edelste Zutaten

Simon ist konzentriert bei der Sache, seine Gerichte zeugen von hoher Aufmerksamkeit und Freude an der Fleißaufgabe, die Garpunkte werden durchwegs souverän getroffen – nur die Lust am Gemüse, an seinen knackigen, frischen, naturbelassenen Qualitäten will er einstweilen kaum befriedigen. Beim Scampo etwa, einem prachtvollen Exemplar, das Simon ganz außerordentlich knackig und saftig gart, kommt zusätzlich zur köstlich würzigen, mit Vadouvan-Curry abgeschmeckten Sauce Hollandaise auch ein Gemüse mit auf den Teller. Der Karfiol ist halt mit ordentlich Obers zur Creme verarbeitet – in Kombination mit der Buttersauce doppelt sich das, auch in punkto Konsistenz, ein klein wenig auf.

Wolfsbarsch wird so dünn aufgeschnitten, dass die darunter liegenden Wasabiblätter durchscheinen, weshalb handfeste Esser versucht sein könnten, die fünf Scheibchen der Vorspeise, samt ihrer Garnierung aus Zwiebelchen und der köstlichen Buttermilch-Kräuteröl-Salsa, schwups zu einem Bissen zusammenzuschieben. Wäre natürlich ein totaler Fauxpas, schmeckt aber sehr gut.

Brust vom Steirerhuhn mit Sauce aus grünen Paprika.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Brust vom Steirerhuhn wird zu einer Art Paprikahendl, aber mit grüner Paprika – weil es ja ein Steirerhendl ist, wie der Koch bei Tisch erklärt. Das Fleisch bekommt grandiose Röstaromen mit, gerät, dank einer speziellen Brattechnik, aber auch so fabelhaft saftig und zart, dass man echt baff ist. "Habe ich mir von den Cajuns in Louisiana abgeschaut", sagt Alexandru Simon, "das Filet kommt dafür zehnmal hintereinander in die Pfanne, zwischendurch aber stets in ein Schockbad aus Eiswasser." Klingt mehr als seltsam, das Resultat ist aber mehr als beeindruckend. Auch die Sauce gerät ganz wunderbar vielschichtig, obendrauf darf ein Macaron aus gepuffter Hendlhaut für Knusper und eine fein geschnetzelte Stabmuschel für zusätzliches Umami sorgen – fantastisches Gericht!

Ziselier? Hier!

Auch der Rehrücken, mit krauser Glucke, Perigord-Trüffel, Sellerie-Millefeuille und Radicchio-Rote-Rübe-Praline mehr als kunstvoll herausziseliert, findet am Gaumen nachhaltig angenehm zusammen. Die Weinempfehlungen von Sommelier Max Populorum zeigen Geschmack und, in einem Haus dieser Art bemerkenswert, auch Mut. Die köstlichen Naturweine von Edgar Brutler aus Transsylvanien (mit antikem Dacia am Etikett!) muss man sich in einem klassischen Luxushotel erst einmal zu servieren trauen. Also, in Wien – in Kopenhagen, London oder Stockholm wäre es quasi normal. (RONDO, Severin Corti, 10.3.2023)