"The Woodhood" soll hip und modern werden und 3000 neue Wohnungen für Köln bringen.

Visualisierung: Adept

Eine urbane Ringstraße namens "Loop" soll die einzelnen Stadteile miteinander verbinden.

Visualisierung: ADEPT

Ein Mehrfamilienhaus im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. Die Dachgeschoßwohnung im vierten Stock wird neu vermietet. Rund 70 Quadratmeter, rund 1400 Euro warm. Beim Besichtigungstermin stehen die Interessentinnen und Interessenten dicht an dicht die Stiegen hinunter bis auf die Straße. Und das ist keine Seltenheit.

Köln hat wie alle deutschen Städte ein Wohnproblem. Zu wenig Wohnraum ist vorhanden. Und wenn er da ist, bleibt er unbezahlbar. Das Frühjahrsgutachten der Immobilienwirtschaft 2023 weist für Köln eine Angebotsmiete von 12,39 Euro pro Quadratmeter aus. Zugegeben, das ist im Vergleich zu München (18,07 Euro) noch in Ordnung. In Deutschland stiegen die Mieten 2022 aber insgesamt um 5,2 Prozent. Und kein Ende ist in Sicht.

Mangel an Wohnraum

Denn es wird zu wenig gebaut. Laut der Studie "Bezahlbarer Wohnraum 2022", beauftragt vom Bündnis Soziales Wohnen, müssten bis 2025 jährlich 400.000 Wohnungen entstehen, um das Defizit vollständig abzubauen. Das ist auch das Ziel der Bundesregierung; 100.000 davon sollen jeweils Sozialwohnungen sein. Laut Gesamtverband der deutschen Wohnungswirtschaft wurden 2022 aber nur 250.000 Wohnungen gebaut. Heuer sollen es 200.000 werden, 2024 noch weniger.

Das Problem: Selbst wenn mehr gebaut würde – das allein reicht nicht. Laut den Immobilienweisen, einem Beratergremium des Spitzenverbands der Immobilienwirtschaft ZIA, gehen die Baupläne an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei. In den Stadtzentren würde ausschließlich auf kleinere Geschoßwohnungen gesetzt, dabei braucht es vor allem große familientaugliche Wohnungen. Auch das spiegelt sich in Köln wider. Wer in einer guten Lage wie der Südstadt eine Vierzimmerwohnung kaufen will, muss schon mal eine Million Euro auf den Tisch legen.

Neue moderne "Veedel"

Dabei hat man in der Domstadt ambitionierte Ziele. Um den steigenden Mietpreisen den Kampf anzusagen, werden neue Stadtteile aus dem Boden gestampft. Köln-Kreuzfeld ist so ein Beispiel. Im Bezirk Chorweiler, also am äußeren Rand der Stadt, soll ein modernes "Veedel", wie es in Köln genannt wird, entstehen.

3000 Wohnungen, neue Arbeitsplätze, etliche Sozial-, Kultur- und Bildungseinrichtungen. "The Woodhood", wie der Siegerentwurf des Planungsbüros Adept aus Kopenhagen heißt, soll alles mitbringen, was hip und umweltschonend ist: viel Holz, eine architektonische Verbindung zur Natur und Interaktionsmöglichkeiten zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern. Die verschiedenen "Hoods" sollen mit einer Ringstraße namens "Loop" verbunden sein. "Der Zugang für den motorisierten Individualverkehr ist dort erlaubt, wo er unbedingt notwendig ist. Gefördert wird er aber nicht", sagt Martin Laursen, Mitbegründer von Adept und Designverantwortlicher des Projekts. Ein "Vorzeigestadtteil", das soll Kreuzfeld werden, sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker.

Digitalisierung als Ausweg

Doch mit jährlich 3000 bis Ende des Jahrzehnts geplanten Wohnungen wird es in Köln, wie auch in ganz Deutschland, nicht getan sein. Expertinnen und Experten pochen immer wieder darauf, dass man für ein schnelleres Bauen digitaler werden müsse. Köln will dabei den ersten Schritt gemacht haben: Seit Ende vergangenen Jahres ist das Baugenehmigungsverfahren für den Wohnungsbau digitalisiert. Das ist wohl auch dringend notwendig. 2021 sind in Köln lediglich 2520 Wohnungen fertiggestellt worden. Das mittelfristige Ziel sollen aber 6000 sein.

In der Bundesregierung plant man derweil ein großes Comeback: Laut Bauministerin Klara Geywitz (SPD) soll ein Gesetz für die "neue Wohngemeinnützigkeit" entstehen, die der Deutsche Mieterbund seit Jahren fordert. Soll heißen: Unternehmen werden steuerlich oder durch Investitionen begünstigt, sollten sie sich dazu verpflichten, dauerhaft günstige Mieten anzubieten. "Wir brauchen dringend Reformen, die dafür sorgen, dass bezahlbarer Wohnraum wieder in ausreichendem Maße zur Verfügung steht. Die bisherigen Instrumente sind offensichtlich ineffektiv oder nicht entsprechend ausgestaltet, um die steigende Nachfrage zu decken", sagte der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, bereits 2020 nach einer öffentlichen Anhörung zum Thema Wohngemeinnützigkeit im Bauausschuss des Bundestags. Damals wurde das Gesetz abgelehnt.

Wohnungsgemeinnützigkeit wurde abgeschafft

Dabei gab es die Wohngemeinnützigkeit schon in Deutschland, und das seit dem preußischen Gesetz von 1867. Es wurde mit der Zeit immer wieder angepasst – bis es die Bundesregierung Ende 1989 abschaffte. Dem war ein Skandal der Neuen Heimat vorausgegangen: Die Bosse des damals größten gemeinnützigen Wohnungsbaukonzerns Westdeutschlands hatten sich jahrelang über Tarnfirmen bereichert, das Unternehmen ging bankrott.

Nun scheint man in Berlin an einem erneuten Versuch zu arbeiten, die Wohngemeinnützigkeit zurückzuholen. Ein Gutachten des Mieterbunds soll dabei als Leitlinie dienen. Darin enthalten ist das Konzept einer zielgruppenorientierten Förderung; Wer Wohnungen an Menschen unter der Bundeseinkommensgrenze (12.000 Euro im Jahr) vermietet, zahlt weniger Steuern und bekommt mehr Zuschüsse. Wer an wohlhabendere Menschen vermietet, zahlt mehr Steuern und bekommt weniger Zuschüsse.

"Zu teuer, falsche Anreize"

In der Bauwirtschaft steht man dem skeptisch gegenüber. Daraus würden nur soziale Brennpunkte entstehen, sagen die einen. Die Wiedereinführung sei zu teuer und setze die falschen Anreize, die anderen.

In Köln-Kreuzfeld sollen immerhin ein Drittel der 3000 neuen Wohnungen gefördert sein. Das hat aber nichts mit einer eventuellen Rückkehr der Wohngemeinnützigkeit zu tun, sondern ist Ergebnis des Kooperativen Baulandmodells der Stadt. Seit 2014 verpflichtet es Bauherren und Investoren dazu, 30 Prozent der Wohnungen im öffentlich geförderten Segment zu errichten.

Man könnte also meinen: Wer bezahlbaren Wohnraum will, muss das der Wirtschaft aufzwingen. Die Nachfrage ist klar, sie muss nur gedeckt werden. Oder, um es mit den Worten der Immobilienweisen zu sagen: "Baut endlich wieder große Wohnungen!" (Thorben Pollerhof aus Köln, 11.3.2023)