Schon lange ist die Gegend rund um die Wiener Gasometer im Umbruch. Der Trend geht weg vom Gewerbegebiet hin zur Nutzung als Wohnviertel. Der soeben eröffnete Q-Tower ist eines von drei Hochhäusern des neuen "The Marks"-Quartiers und wurde vom Wiener Architekturbüro Rüdiger Lainer gestaltet.

Jahrzehntelang war der Bauplatz des Q-Towers ein einfacher Parkplatz. Ein 2014 abgehaltenes kooperatives Verfahren führte dann zum Ergebnis, dass drei Hochhäuser mit einem gemeinsamen Sockel errichtet werden sollen. Als einer der Gewinner des darauffolgenden Architekturwettbewerbs ging das Wiener Architekturbüro Rüdiger Lainer mit seinem Konzept eines "geknickten Towers" mit einer maximal variablen Nutzungsflexibilität hervor. 2019 erfolgte der Spatenstich für das Projekt.

Foto: Michael Hierner / hierner.info

"The Marks" besteht aus insgesamt drei Hochhäusern. Der mit 126 Metern höchste Tower ist "The One" (rechts im Bild). Sein raues Äußeres wurde vom Wiener Architekturbüro Studio Vlay Streeruwitz gestaltet. Mit 114 Metern Höhe ist der Q-Tower (links) nur unmerklich kleiner. Seine außergewöhnliche Fassade in Silber und Gold unterscheidet ihn deutlich von den anderen Türmen. Glatt und brav gibt sich sich der 108 Meter hohe "Helio Tower". Er wurde vom Büro BEHF Architects gestaltet und hat unzählige Balkone mit Windschutz-Schiebeverglasung.

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Ein besonders auffälliges Merkmal des Q-Towers ist seine metallene Fassade: Unzählige goldene Linien oszillieren über die silbernen Balkone. Das Spiel zwischen Zufall und Ordnung ist das Ergebnis einer Analyse, wonach mit möglichst wenig Blechverschnitt eine maximal große Wirkung erzielt werden soll.

Dass manche Linien wie ein Fehler wirken, ist für den Architekten kein Problem: "Fehler sind manchmal auch wichtig – es gibt schmerzende Fehler, aber auch solche, die positiv überraschen", sagt Rüdiger Lainer.

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Große Unterschiede zu den Nachbartürmen zeigen sich auch in der Gestaltung des monolithischen Sockels. Ein kräftiges Ziegelrot markiert die Etagen der 94 "Room4rent"- Serviced Apartments, darüber befindet sich eine lachsrosafarbene Etage mit Gemeinschaftsräumen. Rosa ist auch die Farbe der darüberliegenden Wohnetagen sowie der nördlichen Feuermauer. Die ungewöhnlich warmen und erdigen Farben sind ein Markenzeichen Lainers.

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Zu den Gemeinschaftsräumen zählen neben einem Spiel- und Partyraum mit Küche auch ein Fitnessbereich mit einer Sauna. Weiters befindet sich auf dieser Etage ein großzügiger Coworking-Space inklusive Besprechungsraum samt schalldichter Telefonbox.

Diese Räumlichkeiten sind übrigens nicht nur von Bewohnern des Q-Towers, sondern auch von denen der beiden Nachbargebäude nutzbar. Über ein Onlinesystem können die Räumlichkeiten rund um die Uhr gebucht werden. Während die Nutzung meist gratis ist, fallen für die Sauna und den Coworking-Space zusätzliche Kosten an.

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Nicht nur von außen, sondern auch von innen kann der Q-Tower beeindrucken. So setzt die 16 Meter hohe Eingangslobby neue Maßstäbe in Sachen Höhe. Wäre da nicht eine goldene Wendeltreppe und ein Concierge im weißen Raum, könnte man fast glauben, sich in einer Kirche zu befinden. Mit dem Lift geht es dann in eine der 206 freifinanzierten Eigentums- oder eine der 169 im Rahmen der Wiener Wohnbauinitiative 2020 geförderten Mietwohnungen.

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Langfristige Variabilität war das oberste Ziel der Gestaltung der Wohnungen. Was ist in 50 oder 100 Jahren? Wie einfach können Räume verändert oder Wohnungen zu größeren oder kleineren Einheiten umgebaut werden? Die Antwort fand Architekt Lainer in der Gründerzeitarchitektur, wo durch wenige Stützpfeiler eine hohe Nutzungsflexibilität ermöglicht wurde.

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Jede Wohnung verfügt über einen privaten Außenbereich, welcher über die gesamte Länge geht. Auf vielen der Balkone wurden überdimensionale Blumentöpfe montiert, von denen aus sich Pflanzen über Eisendrähte entlang der Außenfassade ranken sollen. Die Metallpaneele der Brüstung dienen gleichzeitig als Sicht- und Lärmschutz. Letzterer ist leider auch notwendig, da sich die Südosttangente nur knapp einen halben Kilometer entfernt befindet.

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Ein Blick nach unten zeigt den "Teppich mit Baumgruppe" sowie das Arkadengerüst aus Stahl. Es verbindet die drei Hochhäuser auf drei Etagen und ist Teil des Freizeitangebots für die Bewohnerinnen und Bewohner. So befinden sich hier nicht nur Spiel- und Liegeflächen, sondern auch eine 400 Meter lange Laufstrecke in Form einer 8er-Schleife. Auch ein Kindergarten nutzt diese Fläche.

Am Stahlkonstrukt ist außerdem auch Platz für etwa 2.000 Fahrräder. Die Grünflächen wurden von Rajek Barosch Landschaftsarchitektur gestaltet.

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Optisch ganz anders zeigt sich die nördliche Seite des Q-Towers: Geplant war hier eine grüne Fassade mit Pflanzentrögen, doch aus Kosten- und feuerpolizeilichen Gründen musste der Plan wieder verworfen werden. Stattdessen sollen nun horizontale Simse den Wind brechen und Feuerüberschlag verhindern.

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Die drei neuen Landmarks nahe den Gasometer-Türmen hätten übrigens ursprünglich ganz anders heißen sollen. In der ersten Planungsphase wurden sie Qualtinger-, Zawinul- und Mahler-Tower genannt. Von der Idee mit den Namen "großer Söhne des 3. Bezirks" kam man dann aber schnell wieder ab. Nur noch das Q von Qualtinger blieb im Namen des Q-Towers erhalten. (Michael Hierner, 25.3.2023)

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