Viel schlechter lässt sich eine Restauranteröffnung kaum vorstellen: Da machen zwei ambitionierte Quereinsteiger nach langem Hin und Her tatsächlich ein eigenes Lokal, einigen sich auf ein ambitioniertes Konzept, finden die passende Location, renovieren komplett, füllen das Kühlhaus und die Kühlschränke, freuen sich über erste Reservierungen ... und dann kommt der Lockdown. Genau so hat sich der Start von Kias Kitchen auf der unteren Gumpendorfer Straße im Dezember 2020 abgespielt. Hätte für Alexander und Kias Burget auch ganz schnell wieder vorbei sein können. Irgendwie haben es die beiden, halber Grieche der eine, voller Brasilianer der andere, aber geschafft und sind inzwischen auch richtig gut besucht.

Dabei wirkt die Idee, ein Lokal mit brasilianischer Küche und griechischen Weinen aufzumachen, auf den ersten Blick nicht unbedingt wie ein Selbstläufer. Wenn man mit unbeirrtem Einsatz und vielfältigem Talent ausgestattet ist, dann geht aber fast alles. Dachten sich zumindest der brasilianische Balletttänzer Kias Burget und sein im Glücksspielgeschäft tätiger Ehemann Alexander, der mütterlicherseits aus Kreta kommt. "Als Balletttänzer hat man ein Ablaufdatum. Ich wusste schon lange, dass ich danach kochen will", sagt Kias. Jetzt macht er brasilianische Küche aus möglichst regional zusammengesuchten Zutaten.

Brasilianische Küche und griechische Weine in Gumpendorf: Das Programm von Alexander (li.) und Kias Burget klingt schräg – funktioniert aber.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Brasilien trifft auf Griechenland

Mit Maß und Ziel: Das Bio-Olivenöl eines befreundeten Kreters, das auch im Lokal verkauft wird, gehört ebenso mit dazu wie hochreife Kochbananen (auch Pisangfeigen genannt), Maniokmehl, Tapioka, Açaí-Saft und Palmherzen aus der Heimat. In Kombination mit Wels aus Wiener Aquakultur, trocken gereiftem Bio-Tafelspitz und Tomahawk-Kotelett vom Ötscherblickschwein ist das eine sehr stimmige Kombination aus Heimwehtröstung und Freude an lokaler Qualität. Zu alldem werden kretische Weine ausgeschenkt. Was soll man sagen? Alles gut, der würzige Weiße Assyrtiko macht sich gar nicht schlecht.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Jeden zweiten Samstag im Monat steht das brasilianische Nationalgericht, Feijoada, auf der Karte. Dann ist ausnahmsweise schon ab Mittag offen. Dem kraftstrotzenden Eintopf aus schwarzen Bohnen und allerhand eingesalzenem Schweinefleisch und geräucherter Wurst wird ganz besondere Aufmerksamkeit zuteil: Alles Fleisch salzt Kias Burget selbst ein, auch die Wurst wird selbst gemacht und, wie der Speck, auch geräuchert, "ziemlich verrückt, aber halt meine Art der Liebesbezeugung an das Essen von zu Hause", sagt er. Wegen ebendieses Aufwands geht’s eben auch nur einmal im Monat.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die anderen Sachen können es aber auch sehr gut. Ceviche von der Kochbanane zum Beispiel, ein makellos veganer Gang, wo die oft durch Adstringenz und Bamstigkeit auffällige Baumfrucht auf einmal seidig und doch fest, mit süßem, fruchtigem Biss erscheint. Badet in einer köstlich sauren Tigermilch aus Kokos, Limette und Koriander, dazu gibt’s bissige rote Zwiebel und eingelegte, fruchtige Tröpfchen-Chilis – fantastisches Zeug! Casquinha de Peixe sind vielschichtig exotisch abgeschmeckte Tartelettes, gefüllt mit zarten Happen vom Wels aus Wiener Zucht, saftig, bissl scharf, in hauchdünner, knuspriger Hülle, will man haben.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Beilagen vor!

Maniokpüree mit Rindsmedaillon steht genauso auf der Karte, schmeckt dank exakt gebratenen Filets und feiner Sauce auch sehr ordentlich – wahrscheinlich aber muss man in der Wolle gefärbter Fanàtico der Seleção (oder sonst wie ein echter Brasileiro) sein, um die leimige Konsistenz und den, abseits der Knoflwürze, nachhaltig unaufregenden Geschmack des nationalen Knollenpürees als so außerordentlich wahrzunehmen, dass es als Hauptdarsteller eines Gerichts gelten soll. Viel besser: der grandios gebratene, samt köstlichem Fettdeckel medium rare servierte Tafelspitz (Picanha), ein Steak der Extraklasse, mit dem Kias kaum zufällig demonstriert, was aus des Wieners liebster Suppengrundlage für ein majestätisches Gericht werden kann – wenn man es nur will. (RONDO Exklusiv, Severin Corti, 28.4.2023)