Was verbinden Sie mit den 1920er-Jahren? Sprudelnde Partylaune und ein freizügiges Nachtleben? Frauen mit Bubikopf und Federboas, die Charleston tanzen? Hyperinflation? Weltwirtschaftskrise?

In Österreich steht das Jahrzehnt jedenfalls auch für eine Zeit, in der sich das Land radikalisierte. Der Faschismus stand vor der Tür. Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer, ein altgedienter ÖVP-Politiker, fühlt sich, so sagt er, derzeit an die Stimmung im Österreich der 1920er-Jahre erinnert. Und er denkt dabei nicht an Szenen wie aus The Great Gatsby. Haslauer meint: wegen der FPÖ. Man muss das kurz sickern lassen.

Wie die ÖVP künftig mit der FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl umgeht, wird die Salzburg-Wahl zeigen.
Foto: APA/Franz Neumayr

Haslauer ist ein christlich-sozial geprägter Konservativer, der sonst selten mit flotten Sprüchen auffällt. Klar, er befindet sich gerade im Wahlkampffinale. Salzburg wählt am Sonntag. Doch in dieser Sache ist er ungewöhnlich unmissverständlich: Er habe ein Problem mit der Tonalität Herbert Kickls und dessen FPÖ. Und diese Tonalität werde "über Kickl" auch nach Salzburg getragen, wo eigentlich die resch-freundliche Marlene Svazek die Freiheitlichen führt. Mit ihr schließt Haslauer eine Koalition explizit nicht aus, obwohl ihm der bloße Gedanke sichtlich widerstrebt. Allerdings: Die ÖVP hat sich diesbezüglich schon in Niederösterreich als prinzipienelastisch erwiesen.

Dabei ist Haslauer mit seiner Einschätzung nicht allein. Sogar überzeugte Rechte innerhalb der ÖVP sagen: Eine Koalition mit Herbert Kickl nach der nächsten Nationalratswahl ist schwer vorstellbar. Das finden selbst jene junge Kurzianer, die Türkis-Blau bis heute für die beste Regierung ihrer Lebzeit halten. Auch ihnen geht es weniger um konkrete Inhalte als um Kickls Tonalität, Art und Auftreten.

Trotz allem sagen sie: Man muss sich die Option einer Zusammenarbeit mit der FPÖ offenhalten.

Trickkiste des Rechtspopulismus

Die innenpolitische Gretchenfrage in Österreich wurde zur Herbert-Frage. Wie hast du’s mit dem radikalen FPÖ-Chef? Mit Kickl sei eigentlich kein Staat zu machen, da sind sich fast alle einig. Aber eben: eigentlich.

Gleichzeitig versucht Kanzler Karl Nehammer, Mitte-rechts-Wähler mit stumpfen Stammtischparolen zu ködern. Er möchte mit E-Fuels Verbrennermotoren erhalten (unrealistisch), diskreditiert Klimaaktivisten (etwas billig), und er will die ÖVP wieder zur Hardlinerpartei in Migrationsfragen stilisieren (angesichts der starken FPÖ: schwierig).

Seit seiner "Zukunftsrede" konnte Nehammer so durchaus sein Profil schärfen. Allerdings wird mit jedem neuen Spruch aus der Trickkiste des Rechtspopulismus die Koalition mit den Grünen brüchiger. Es ist klar ersichtlich: Die ÖVP wärmt sich bereits für die nächste Nationalratswahl auf.

Ob ÖVP und FPÖ auf Bundesebene dann wieder zusammenfinden könnten, wird auch das Resultat in Salzburg mitentscheiden. Sollte es dort – trotz allem – zu Schwarz-Blau kommen, wäre das ein weiterer Tropfen, der den Stein glattwäscht. Die Aufregung über die nächste schwarz-blaue Landesregierung wird schon mäßiger ausfallen als jene über die in Niederösterreich. Und die Kickl-FPÖ würde stets koalitionsfähiger – und damit über die Bande der FPÖ-Chef selbst.

Oder Haslauer bleibt dabei: nicht mit dieser FPÖ, obwohl sie wahrscheinlich der große Wahlgewinner in Salzburg sein wird. Das sollte dann auch seinen Kollegen in Wien zu denken geben. (Katharina Mittelstaedt, 23.4.2023)