Laut Martin Gebhart – inoffizieller Verlautbarungsbeauftragter der ÖVP Niederösterreich, früher im Dienst der NÖN, jetzt im Kurier – will Johanna Mikl-Leitner in Zukunft "mehr Kante für die Normaldenkenden zeigen". Da stellt sich nicht nur die Frage, ob man sich von dem, was die in jüngster Zeit durchaus verhaltensoriginell agierende Landeshauptfrau unter "normaldenkend" zu verstehen scheint, angesprochen fühlen will, sondern angesichts ihres Auftretens auch jene, wie noch mehr Kante bei ihr überhaupt gehen soll. Personifizierter Kubismus?

Will mehr Kante zeigen: Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP).
APA/GEORG HOCHMUTH

Oder war es mehr im Sinn von Andreas Babler gemeint, der in einem unlängst wiederentdeckten Video im Gespräch mit Rudi Fußi nicht nur Kante zeigt, sondern sich diese offenbar auch gegeben hat? Wer weiß: Vielleicht erklärt vorangegangenes Kantegeben nicht nur Bablers EU-Gefasel und Mikl-Leitners Koalitionspartnerwahl, sondern auch das Verhalten der Wahlkommission am SPÖ-Parteitag?

Unabhängig davon, ob sich deren Scheitern am Auseinanderhalten zweier Kandidaten mit "falsche Prozente durch zu viel Promille" oder einem kollektiven algebraischen Blackout begründen lässt: Babler will trotz des Stimmauszählungsversagens mehr Basisdemokratie in der Partei. Eine Forderung, die seitens der Wiener SPÖ prompt mit "Sicher nicht!" zurückgewiesen wurde. Früher hätte diese von der Wiener SPÖ kommende Antwort für den Wunsch nach Reformen bedeutet: Sicher nicht! Doch gilt das auch heute noch, wenn Werner Faymann, Christian Deutsch und Doris Bures ein wohlverdienter Platz im Bezirksmuseum der Liesinger Sozialdemokratie winkt?

Überforderung

Der massivste parteiinterne Reformbedarf besteht aber vermutlich bei den Beratern des Spitzenkandidaten. Das lässt sich anhand einer Wahlkampfanekdote illustrieren: Unmittelbar nachdem Pamela Rendi-Wagner die Teilnahme an einer ORF-Diskussionssendung kurzfristig abgesagt hatte, wollte ein ORF-Redakteur von ihrem Pressesprecher wissen, warum sie diese Chance zur Präsentation ihrer Ideen nicht nütze, worauf der Sprecher erklärte, die Absage sei aus "strategischen Überlegungen" erfolgt. Auf Nachfrage, um welche – nicht gleich als solche erkennbare – Strategie es sich dabei handle, bekam der Redakteur zur Antwort: "Pamela Rendi-Wagner wird sich ins Kanzleramt schweigen." Da hat, um es mit der gescheiterten Obfrau zu sagen, außer der Richtung nichts gestimmt.

In der Frage, welche Richtung künftig stimmen soll, erinnert die SPÖ an einen orientierungslosen, mitten auf der Kreuzung haltenden Autofahrer, der zuerst den rechten Blinker einschaltet, dann nach links blinkt und schließlich vor lauter Überforderung die Warnblinkanlage aufdreht.

Die Berichterstattung darüber passt sich mitunter dieser Überforderung an. So schrieb ein Profil-Innenpolitik-Journalist: "Wer als Junger kein Linker ist, hat kein Herz, wer als Alter immer noch einer ist, keinen Verstand." Leider wird dieser alte Spruch meistens unvollständig zitiert. Richtig lautet er: "Wer als Junger kein Linker ist, hat kein Herz, wer als Alter immer noch einer ist, keinen Verstand, und wer in egal welchem Alter diesen Spruch aufsagt, hat weder das eine noch das andere." (Florian Scheuba, 15.6.2023)