Im westafrikanischen Unruhestaat Mali fand am Sonntag ein Volksentscheid statt, mit dem die Bevölkerung über eine neue Verfassung befand. Zwei Tage zuvor hatte Außenminister Abdulaye Diop vor dem UN-Sicherheitsrat in New York ein Ende der rund 15.000-köpfigen Blauhelmmission Minusma gefordert – und zwar "ohne Verzögerung". Beide Ereignisse hängen nach den Worten des malischen Militärdiktators Assimi Goïta zusammen: Auf diese Weise solle der Bevölkerung ihre "Souveränität" zurückgegeben werden. Was die rund 22 Millionen Malier und Malierinnen von den beiden Initiativen tatsächlich halten, wird allerdings im Dunkeln bleiben. Denn am Referendum nahm nur eine kleine Minderheit der Bevölkerung teil, und die Fortsetzung der UN-Mission stand erst gar nicht zur Abstimmung.

Wahlzettel Ja und Nein für Abstimmung über neue Verfassung in Mali
Nicht alle im Krisenstaat Mali hatten die Wahl zwischen Ja und Nein zur neuen Verfassung: Im Norden und im Zentrum des Landes konnten aus Sicherheitsgründen keine Wahlen stattfinden.
EPA

Malis Militärregierung nutzte die Volksentscheidung, um ihren Machterhalt vorzubereiten. Die Obristen, die sich vor knapp drei Jahren an die Macht geputscht hatten, hatten gegenüber dem regionalen Staatenbund Ecowas versprechen müssen, bis spätestens im Februar 2014 eine neue Regierung wählen zu lassen, andernfalls hätte Ecowas seine nach dem Coup erlassenen Sanktionen nicht aufgehoben. Ursprünglich sollten sich die Militärs verpflichten, nach den geplanten Wahlen Zivilisten regieren zu lassen. Doch diese Bestimmung fehlt in der neuen Verfassung, stattdessen wird den Putschisten eine Amnestie gewährt.

Stärkung des Präsidenten

Das zur Abstimmung gestellte Grundgesetz sieht außerdem eine Stärkung der Macht des Präsidenten vor. Die Regierung soll sich künftig ihm und nicht mehr dem Parlament gegenüber verantworten müssen; der Staatschef ernennt den Premierminister und dessen Kabinett und kann diese auch wieder entlassen. Außerdem kann er neue Gesetze erlassen, was bisher dem Parlament vorbehalten war. Und weil es Goïta mit der ehemaligen französischen Kolonialmacht gründlich verdorben hat, wird das Französische von Malis offizieller Sprache zu dessen Amtssprache degradiert.

Die Ergebnisse der Abstimmung werden bis spätestens Mittwoch erwartet: Allerdings zweifelt niemand daran, dass eine überwiegende Mehrheit der wählenden Minderheit für Ja votiert. Die Gegner der Militärregierung befinden sich vor allem im Norden und im Zentrum des Landes: Dort konnten aus Gründen der Sicherheit gar keine Wahlen stattfinden. Dagegen erfreut sich Goïtas Militärregierung in der Hauptstadt Bamako einer gewissen Beliebtheit: Ihren markigen Tönen – und ihrer Zusammenarbeit mit der russischen Wagner-Truppe – werden Erfolge im Kampf gegen die islamistischen Extremisten zugetraut. Wie diese auch immer zustande kommen.

Schwere Vorwürfe

Bei ihrem Vorgehen gegen Extremisten wurde die russische Söldnertruppe und die malische Armee schwerer Menschenrechtsverbrechen gegenüber der Bevölkerung bezichtigt: Unter anderem sollen sie im März des vergangenen Jahres mehr als 500 Menschen in dem Städtchen Moura im Zentrum des Landes hingerichtet haben. Auf kritische Minusma-Berichte regierte die Goïta-Regierung mit einer zunehmenden Behinderung der Arbeit der UN-Mission: Mehrere Repräsentanten wurden des Landes verwiesen, die Genehmigungen für Drohnenflüge der deutschen Bundeswehr wurden stark eingeschränkt, schließlich forderte Außenminister Diop jetzt den gesamten Abbruch der Mission, die Ende dieses Monats verlängert werden müsste. Das dies geschieht, gilt angesichts der jüngsten Entwicklungen als ausgeschlossen. Berlin hatte das Ende des Bundeswehreinsatzes ohnehin bis spätestens im Mai des kommenden Jahres ins Auge gefasst: An dem "geordneten Abzug" werde festgehalten, hieß es im Verteidigungsministerium. Was aus Malis Bevölkerung danach wird, steht in den Sternen – außer dass ihre "Souveränität" dann angeblich wiederhergestellt ist. (Johannes Dieterich, 18.6.2023)