In den letzten Jahren hat hierzulande die Kanzlerqualität stark nachgelassen. Kein Zufall daher, dass kritische Geister sich anbieten, gegen diesen Verfall anzukämpfen und dem Volk endlich wieder einen Kanzler zu schenken, der seiner würdig ist, nämlich sich selbst. Einen Volkskanzler eben, der das System bekämpft und schon mit dieser Begriffsbildung zeigt, wie sehr er vom Vorbild des größten Volkskanzlers aller Zeiten inspiriert ist. Wir sind dabei.

Niemand benötigt den Migranten, den er wegwünscht, so sehr wie ein künftiger Volkskanzler: FPÖ-Chef Herbert Kickl.
IMAGO/SEPA.Media

So ein Alleinstellungsmerkmal ist wichtig, es verpflichtet zu Opferbereitschaft. Schon der Gröfaz bestand nicht darauf, sich an der Wiener Akademie der bildenden Künste zu einem zweiten Raffael ausbilden zu lassen, weil er in seinem Inneren den Ruf des Volkes verspürte, als er noch gar nicht ahnte, welches Volk nach ihm rufen würde. Ihm auf diesem Opfergang zu folgen ist nicht leicht, aber für das Volk kann man schon ein Philosophiestudium an den Nagel hängen. Das wäre zwar noch kein Grund, die Mausetoterklärung Gottes Karl Marx in die Schuhe zu schieben, um Andreas Babler eins auszuwischen, aber es qualifiziert eben doch besser zu einem Volkskanzler. Man kann im Bierzelt immer noch den Heidegger raushängen lassen, damit das Volk, auf Holzwege geführt, das Bier beklatscht.

Systemgequälte Volksseele

Das Zweitwichtigste ist Regierungserfahrung. Da qualifiziert nichts besser als eine, wenn auch kurze, Amtszeit als Volksinnenminister, der mit Rodeo bei Duldungsstarre die systemgequälte Volksseele aufzumuntern vermag. Misslingt nebenbei ein Versuch, auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung unter seinem Gesäß zu versammeln, ist das kein Problem, das lässt sich von einem Volkskanzler nachholen.

Aber niemand kann es zu einem Volkskanzler bringen, der nicht über das Tool verfügt, das ihm die Herzen des Volkes noch besser aufschließt als jedes Entwurmungsmittel, und das ist der Migrant als Werkzeug jener teuflischen Systemkräfte, die dem Volk seine Umvolkung aufzwingen wollen. Der Weg zum Volkskanzler führt über den Haubenkoch des völkischen Einheitsbreis, der weiß, dass der Migrant, Flüchtling, Ausländer eine unverzichtbare Zutat des Hauptgerichts ist, das er auftischt, um jene Aufmerksamkeit zu erregen, die er außerhalb des Bierzelts kaum gewinnt.

Niemand benötigt den Migranten, den er wegwünscht, so sehr wie ein künftiger Volkskanzler. Er ist der politische Parasit am Migranten, aus ihm möchte er seine politische Zukunft saugen, umso heftiger, als sonstige politische Angebote von seiner Seite noch nie besonderes Interesse hervorzurufen vermochten. Man könnte es das Wahlprogramm eines dialektischen Rassismus nennen, das zu verstehen nicht jedem gegeben ist. Ein Waldhäusl zum Beispiel kapiert das einfach nicht, wenn er schon Kinder unter dem Verdacht migrantischer Herkunft aus Wien vertrieben sehen will. Er fällt einem Volkskanzler in spe damit in den Rücken – wie soll sich die Hoffnung je in Realität wandeln, wäre Wien auf einmal so schön, wie es sich Waldhäusl vorlügt?

Man muss dem Volk Angst einjagen, wenn man sein Festungskommandant werden will. Denn "Angst ist ein großer Hebel, um Leute zu einem erwünschten Verhalten zu bringen. Dahinter stecken auch Geschäftsmodelle".

Ehrlicher als so könnte ein Volkskanzlerkandidat sein Geschäftsmodell nicht offenlegen. (Günter Traxler, 23.6.2023)