Der tragische Unfall des privaten Tauchbootes Titan, das im Nordatlantik zum Wrack der Titanic abgetaucht ist, war, im Medienjargon formuliert, die "Geschichte der Woche". Seit Donnerstagnacht herrscht Gewissheit: Das Tauchboot ist implodiert, die fünf Passagiere der Titan, private Abenteurer, die für den Trip umgerechnet 250.000 Euro gezahlt haben, sind allesamt einen schnellen Tod gestorben. Die kanadische und die US-Küstenwache, die US-Nationalgarde und US-Marine sowie ein französisches Meeresforschungsinstitut suchten tagelang nach den Verschollenen.

Das Tauchboot Titan ist implodiert.
Imago/Zuma Wire

Ein weiteres Unglück im Atlantik, 4060 Kilometer weiter südöstlich, schaffte es in die Schlagzeilen – als eher nüchterne Meldung: Ein Schlauchboot mit mehr als 60 Menschen an Bord ist, offenbar schon vor Tagen, vor den Kanarischen Inseln gekentert. Ein Bruchteil der Menschen wurde gerettet, über 30 starben. Weit und breit war keine Küstenwache zu sehen, als das Schlauchboot in Seenot geriet. Die Behörden wussten nichts davon, so kam für viele jede Hilfe zu spät.

Doch nicht immer ist eine Reise unter dem Radar der Grund, warum viele Flüchtende in den Weltmeeren sterben. Vor rund einer Woche sank ein völlig überladener Kutter vor der griechischen Küste, mit hunderten Menschen an Bord, viele von den Schleppern eingesperrt im Schiffsbauch. Ihr Sterben hätte verhindert werden können, hätte die griechische Küstenwache schneller reagiert, wäre die Verantwortung für ein Eingreifen nicht von einer Behörde zur nächsten geschoben worden, kreuzten im Mittelmeer regelmäßig ähnlich viele staatliche und private Rettungsschiffe wie bei dem singulären Ereignis vor Neufundland.

Politische Konsequenzen

Das tragische Schicksal der Titan, das Sterben tausender Flüchtlinge auf Minibooten, in die sie gewissenlose Schlepper gepfercht haben – dies lässt sich in seiner geografischen Verortung, seiner medialen Wahrnehmung und daraus folgenden politischen Konsequenzen nicht vergleichen.

Aber eine Frage muss man stellen: Wie viel öffentliches Geld sind wir als Gesellschaft bereit für spektakuläre Rettungsaktionen auszugeben, wenn sie medial gehypt werden? Und, umgekehrt, wie wenig Steuergeld sind wir bereit auszugeben, wenn es um die regelmäßig wiederkehrende Notwendigkeit geht, Menschen auf ihrem (vergeblichen) Weg nach Europa zu retten? Sei es das geplante neue EU-Asylverfahren, sei es die Forderung der Kommission, für die Bekämpfung des Schlepperwesens mehr Mittel von den Mitgliedsstaaten zu bekommen – alle diesbezüglichen Versuche werden von unterschiedlichen EU-Mitgliedern bekämpft. Dazu kommt, dass das Handeln privater NGOs, die jährlich hunderte bis tausende Menschen vor dem Ertrinken retten, nicht gerne gesehen wird.

80.000 Menschen haben heuer bereits versucht, eine vermeintlich sichere Passage nach Europa zu ergattern. Die Chance, dabei zu sterben, ist mit eins zu 65 unverhältnismäßig hoch. Das ist das wahre Drama, das sich auf den Weltmeeren Tag für Tag ereignet. (Petra Stuiber, 23.6.2023)