Drei Mädchen mit bauchfreien T-Shirts.
Mädchen sollen nicht bauchfrei in die Schule kommen, schrieb die Direktorin.
Barbara Gindl / APA / picturedes

Die Salzburger Bildungsdirektion zieht rasch Konsequenzen, nachdem ein Elternbrief zu Kleidervorschriften in einer Flachgauer Mittelschule für Aufregung gesorgt hat. Bauchfreie Shirts, Trägershirts und kurze Shorts seien in der Schule unerwünscht, schrieb die Direktorin der Mittelschule in dem Elternbrief. Sie ersucht die Eltern um Mithilfe bei der Bekleidung der Mädchen. "Diese Bekleidungsstücke sind unangebracht und bergen das Risiko einer übermäßigen Sexualisierung", heißt es in dem Schreiben.

"Das geht gar nicht", sagt der Salzburger Bildungsdirektor Rudolf Mair dem STANDARD. Noch am Freitag gehe ein weiterer Elternbrief der Behörde raus, in dem klargestellt werde, dass der Brief der Direktorin obsolet sei. Die Direktorin sei mit dem Schreiben über angebrachte Kleidung für Mädchen zu weit gegangen. "Das Thema braucht eine gewisse Sensibilität", sagt Mair. "Ich halte das für eine große Panne. Wir werden geeignete Maßnahmen an dem Schulstandort veranlassen."

Konkret hat die Bildungsdirektion bereits Kontakt mit dem Bundeszentrum für Sexualpädagogik an der Pädagogischen Hochschule aufgenommen. Es brauche Fortbildungen an der betroffenen Schule, sagt Mair. "Wir brauchen einen professionellen Umgang." Haltungen und Wissen zu Fragen der Gleichstellung müssten bekannt gemacht und verinnerlicht werden.

Zum "Schutz der Burschen und Lehrer"

"Nicht nur die Mädchen pubertieren, auch die Burschen werden von Hormonen überschwemmt", hieß es in dem Schreiben der Direktorin. Sie führte in dem Brief auch Konsequenzen an, sollten sich die Mädchen nicht an die Kleidervorschriften halten: Für "unangemessene Bekleidungspannen haben wir neutrale XXL-Shirts angekauft, welche im Falle von Uneinsichtigkeit der Mädchen während des Unterrichts überzuziehen sind".

Diese Maßnahme diene vor allem dem Schutz der Mädchen: "Es sollen keine unerwünschten Gedanken geweckt werden, welche möglicherweise zu weiteren Problemen führen." Die Maßnahme diene "auch dem Schutz der Burschen und unserer Lehrer".

Elternbrief zur freizügigen Kleidung der Mädchen.
Der gesamte Wortlaut des Elternbriefs, den die Direktorin ausgeschickt hat.
Faksimile: ÖGB

"Es geht gar nicht, dass die Schule T-Shirts im Kasten habe, die die Mädchen anziehen müssen", betont Mair. Es könne auch nicht sein, dass abhängig von der Kleidung der Mädchen Burschen und männliche Bezugspersonen zu schützen seien, wie in dem Brief dargestellt. Es gebe einen Grundsatzerlass des Bildungsministeriums zur "reflexiven Geschlechterpädagogik und Gleichstellung", der in der Schule offenbar nicht bekannt sei, sagt der Bildungsdirektor.

Demnach sollen Kinder und Jugendliche in allen Bereichen die gleichen Chancen haben und sich unabhängig von geschlechterstereotypen Zuweisungen entwickeln können. "Wir wollen keine Geschlechterstereotype und patriarchalen Rollennormierungen", betont Mair. Um das auch in allen Mittelschulen klarzustellen, werde kommende Woche ein Rundschreiben hinausgehen, das auf den Erlass hinweist. Wenn Kleidung als inadäquat empfunden werde, müsse das mit Schülern und Eltern gemeinsam in sensibler Weise besprochen werden, um ein Einsehen zu erreichen, sagt Bildungsdirektor Mair. Dafür gebe es das Schulforum.

Gewerkschaft ortet Skandal

Die Landesleiterin des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB), Petra Berger-Ratley, bezeichnet den Brief als einen Skandal: "Es ist eine bodenlose Frechheit, jungen Mädchen in der Mittelschule zu vermitteln, sie würden durch ihre Kleidung 'sexuelle Belästigungen' provozieren."

Die Direktorin solle vielmehr mit den Burschen und ihren Lehrern über angebrachtes Verhalten gegenüber Frauen und jungen Mädchen sprechen, sagt Berger-Ratley. "Hier geschieht etwas Fatales: Man suggeriert heranwachsenden Mädchen, dass sie zukünftig eventuell sogar selbst für unerwünschte sexuelle Handlungen verantwortlich sind, wenn sie sich nicht dementsprechend kleiden. Das ist eine Täter-Opfer-Umkehr erster Klasse!"

Kleidervorschriften an Schulen werden immer wieder zum Thema. Zuletzt forderte im Mai der Wiener FPÖ-Jugendsprecher Maximilian Krauss ein Verbot von Jogginghosen an Schulen. Er sprach sich für die Verbannung eines "nicht angemessenen Kleidungsstücks" aus. Auch die Deutsche Knigge-Gesellschaft unterstützt ein Jogginghosenverbot in Schulen. "Schulzeit ist Arbeitszeit, daher hat die Jogginghose dort keinen Platz", schrieb sie in einer Aussendung, nachdem ein Jogginghosenverbot an einer Schule in Nordrhein-Westfalen hohe Wellen geschlagen hatte. (Stefanie Ruep, 30.6.2023)