Trägertops, Bauchfreies oder kurze Shorts sind nicht der Grund für sexualisierte Belästigung. 
Bei den "Slutwalks" demonstrieren Aktivistinnen seit Jahren gegen die Täter-Opfer-Umkehr: Der Belästiger oder Grapscher ist schuld – nicht ein Kleidungsstück.
EPA

Eine Salzburger Schuldirektorin forderte Eltern auf, sie sollen mit ihren Töchtern über "angebrachte Kleidung" im Unterricht reden. Wie diese Kleidung aussehen soll? Bitte so, dass sie nicht das "Risiko einer übermäßigen Sexualisierung" in sich berge. Die Schulleiterin sieht ihren Appell im Sinne des Schutzes von Mädchen – sogar auch im Sinne des Schutzes "für Burschen und Lehrer". Tatsächlich aber dient er nicht zum Schutz, sondern ist gefährlich.

Damit wird nichts anderes gesagt, als dass es die Aufgabe der Mädchen sei, sich vor sexueller Belästigung und Übergriffen zu schützen. Wenn also Bauchfreies, Trägershirts oder "extrem" kurze Shorts – wie die Schulleiterin böse Kleidungsstücke auflistet – im Kasten bleiben, macht dann die Sexualisierung von Mädchen und Frauen Pause? Natürlich nicht.

Frauen und Mädchen werden völlig unabhängig davon, welche Kleidung sie tragen, Opfer von sexistischen Kommentaren und Belästigungen. Die Frage "Was hast du angehabt?" verschiebt bis heute erfolgreich die Verantwortung: weg von den Tätern und einer noch immer sexistischen Gesellschaft, die Frauen objektiviert. Betroffene von sexualisierter Gewalt zögern mit Anzeigen oft, weil sie sich selbst die Schuld geben. Die Konsequenz: Sie sagen nichts und behalten Übergriffe für sich.

Furchtbares Männerbild 

Wenn wir jungen Frauen und Mädchen schon in der Schule vermitteln, ein Shirt mit Ärmeln würde sie schützen – was fundiertem Wissen über sexualisierte Übergriffe widerspricht –, heißt das, wir akzeptieren Gewalt an Frauen als eine Art "Naturgewalt". Männer und Burschen werden so zu Opfern ihrer "Hormone" oder einer Idee von Männlichkeit, zu der auch Besitzanspruch auf Frauen und Mädchen gehört. Männer wären dann, in dieser Denkweise, machtlos gegen diese toxische Sichtweise. Das ist ein Männerbild, gegen das sich endlich auch Männer zur Wehr setzen sollten. Wie reagiert übrigens die Schulleitung, wenn sich Burschen beim Sport das T-Shirt ausziehen? Mit einer Warnung an Eltern, dass sie das bitte lassen sollen, weil sich ihre Kinder damit selbst zum Sexobjekt machen? Wohl kaum. Die Sexualisierung von Mädchen und Frauen ist in unserer patriarchalen Kultur verankert – und kam nicht durch ein Trägershirt in die Welt.

Sexistische Kommentare und sexualisierte Übergriffe haben zudem nichts mit Sex zu tun. Sie sind eine Machtdemonstration, sie demonstrieren Besitzanspruch. Wenn Mädchen ihre Garderobe aufgrund einer angeblich triebgesteuerten Männlichkeit wählen sollen, wird von ihnen nicht weniger als Unterwerfung verlangt. 

Mädchen haben das Recht, anzuziehen, was sie wollen, und nicht sexuell belästigt zu werden. Beides gleichzeitig. Punkt. (Beate Hausbichler, 30.6.2023)