Im Gastblog reflektieren Jasmin Özyurt, Julia Unger, Kayleigh Saunderson, Katharina Rebay-Salisbury und Karina Grömer die Inhalte einer Lehrveranstaltung der Universität Wien.

Die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für die Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) ist ein globaler Plan zur Förderung nachhaltigen Friedens, Wohlstands und zum Schutz des Planten. Seit 2016 arbeiten alle Länder daran, diese gemeinsame Vision zur Bekämpfung der Armut und Reduzierung von Ungleichheiten in nationale Entwicklungspläne überzuführen. Zu den Nachhaltigkeitszielen zählen unter anderem Gesundheit und Wohlergehen, Bildung, Armut oder nachhaltiger Konsum und Produktion.

Die 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals) der UN.
Foto: United Nations

Eine Lehrveranstaltung an der Uni Wien

Im Rahmen einer Lehrveranstaltung befassten sich Studierende der Urgeschichte und historischen Archäologie mit der Verknüpfung der Nachhaltigkeitsziele mit archäologischen Themen und erarbeiteten diese auf unterschiedliche Weise. Dafür trafen sie sich unter anderem im Raum Deck 50 des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) sowie an der Akademie der Wissenschaften mit den Lehrveranstaltungsleiterinnen Katharina Rebay-Salisbury und Karina Grömer zu diversen Impuls- beziehungsweise Gastvorträgen, etwa von der Generaldirektorin des NHM, Katrin Vohland, oder Ilja Steffelbauer vom Department für Wissens- und Kommunikationsmanagement, Donau-Uni Krems.

Impulsvortrag von Ilja Steffelbauer auf Deck 50.
Foto: K. Grömer
Studierende
Erarbeiten von Inhalten zur Lehrveranstaltung an der ÖAW in der Hollandstraße und im Naturhistorischen Museum.
Foto: K. Grömer

Warum der Crosslink zwischen Archäologie und UN-Nachhaltigkeitszielen?

Eine Frage, die Archäologinnen und Archäologen öfter gestellt wird, betrifft den Wert des Fachs für die moderne Gesellschaft und die Zukunft. Im Laufe des Seminars wurde allerdings zunehmend klar, wie viel die Menschheit aus ihrer Vergangenheit lernen kann, seien es Themen des Umweltschutzes, zum Beispiel nachhaltige Bestattungen, aber auch Abfallmanagement und soziale Problematiken, wie Geschlechterungleichheit. All diese Punkte wurden schon in prähistorischen und frühgeschichtlichen Zeiten auf unterschiedliche Arten behandelt. Immer öfter werden auch Projekte in Forschung und musealer Landschaft von den SDGs inspiriert.

So wird etwa in der archäologischen Textilforschung immer wieder auf die Ressourcennutzung prähistorischer und historischer Gesellschaften hingewiesen, auch auf Recycling. Für Grömer ganz spannend: "Quer durch die Geschichte haben Menschen durch Kleidung ihre Identität dargestellt – besonders heute ist dies wichtig, da Toleranz für verschiedene Kleidungsidentitäten (Stichwort: Schleier), auch den sozialen Frieden sichert." Hier kann man mit Beispielen aus der Vergangenheit, die ein anschauliches und "unaufgeregtes" Quellenmaterial darstellen, gut auf heutige Probleme aufmerksam machen.

Vortrag
Vortrag zu archäologischer Textilforschung und SDGs.
Foto: J. Unger

Spannende Verknüpfungen

Die Auswirkungen etwa der Klimakrise sind heute spürbarer als je zuvor, jedoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass vergangene Gesellschaften ebenso mit problematischen und klimatischen Veränderungen konfrontiert wurden. Insbesondere das Frühmittelalter war von Klimaanomalien geprägt. Speziell zu Beginn der Awarenzeit führten Wetterextreme, die durch eine anhaltende Kälteperiode der Spätantiken kleinen Eiszeit (536 bis 660 nach Christus) ausgelöst wurden, zu einer politischen und sozialen Veränderung und Missständen.

Epidemien, Ernteausfälle und Viehsterben und daraus resultierende Hungersnöte trafen, wie gegenwärtig, primär die vulnerablen Gruppen. Betroffen waren insbesondere auch die Menschen, die dem Hirtennomadismus angehörten, wie beispielsweise die Awaren, die primär die eurasische Steppe bewohnten. Dieser Steppenraum lieferte durch die klimatischen Veränderungen jedoch nicht mehr genug Nahrung und es kam zu einer Abwanderung mit weitreichenden Konsequenzen. Wie beispielsweise durch die Mobilität ein erhöhtes Konfliktpotenzial mit anderen Gruppen.

Auch wenn nicht der banale Schluss gezogen werden darf, dass ausschließlich die klimatischen Bedingungen im Frühmittelalter zu einer Migrationsbewegung führten, beeinflussten sie diese maßgeblich und veränderten dadurch bestehende politische und soziale Systeme.

Die damalige Situation der Awaren kann mit der heutigen der nomadischen Hirten in der Mongolei verglichen werden. Das gegenwärtige, durch die Klimakrise stetig verstärkte Wetterphänomen bedroht durch Sommerdürren und extrem kalte Winter die Existenzgrundlage der Hirtennomaden. Eine der vielschichtigen Folgen ist die Flucht aus den Steppengebieten. Doch nicht nur einzelne Familien, sondern der gesamte Landwirtschaftssektor in der Mongolei ist von der Viehzucht der Halbnomaden abhängig. Die gesamte sozioökonomische Lage der Steppengebiete in der Mongolei ist selbst mit massiver Entwicklungshilfe stark gefährdet.

Viel Stoff zum Weiterdenken

Die Vergangenheit sollte uns aufzeigen, dass in der Gegenwart sofort ausreichende Maßnahmen zum Klimaschutz (SGD 13) gesetzt werden müssen. Nur dadurch können die komplexen Folgen der Klimakrise, einhergehend mit politischen und sozioökonomischen Konsequenzen gestoppt werden, um Menschen in Risikogebieten wie der mongolischen Steppe eine sichere Zukunft zu gewährleisten. (Jasmin Özyurt, Julia Unger, Kayleigh Saunderson, Katharina Rebay-Salisbury, Karina Grömer, 13.7.2023)