"Culture eats strategy for breakfast", meinte der ursprünglich aus Wien stammende Peter Drucker. Der 2005 verstorbene Mitbegründer der modernen Managementlehre wird gern zitiert, wenn es um Veränderungsprozesse und Unternehmenskultur geht.

Blick für kulturelle Faktoren, Verständnis von systemischen Zusammenhängen und die Fähigkeit, Ungerechtigkeit beim Namen zu nennen: Frauen in Führungspositionen bringen diese Qualitäten und Perspektiven stärker ein.
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Doch in letzter Zeit scheint dieses Statement zu einem fatalistischen Mantra zu verkommen. Es dient resignierenden Führungskräften dazu, sich zu rechtfertigen, nach dem Motto: "Wenn die Kultur gegen mich ist, kann ich es genauso gut sein lassen." Im Grunde hatte Peter Drucker aber gemeint, dass Kultur gestaltbar und dynamisch sei. Eine Organisation besteht aus mehr als nur Leistungskennzahlen, Strukturen und Prozessen. Spezifische kulturelle Muster und Werte beeinflussen die strategische Entwicklung oft viel stärker, als uns Gewähr ist. Diese sind nicht gottgegeben; sie lassen sich durch bewusste Führung verändern.

Zukunftsfähige Transformation

Unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem beruht auf Verhaltensweisen, die den Menschen und den Planeten an seine Grenzen bringen. Etablierte Organisationen in Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft sind gefordert, sich neu zu erfinden. Doch wie viel wissen wir eigentlich darüber, wie eine zukunftsfähige Transformation gelingen könnte, wie das Alte aus der Welt kommt und wie wir Ballast abwerfen?

Unsere Aufmerksamkeit richtet sich auf Heldengeschichten von Gründern, die das Neue förmlich aus dem Boden stampfen. Elon Musk, Jeff Bezos und seit kurzem Sam Altmann sind die bekanntesten Protagonisten dieser Erzählungen. Diejenigen, die versuchen, im Inneren bestehender Organisationen Veränderung zu bewirken, bleiben meist unbeachtet. Das Bohren dicker Bretter scheint eben nicht so attraktiv wie das sprichwörtliche Bohren dünner in der glitzernden Welt des Silicon Valley.

Spannungen und Konflikte

Doch wir werden uns nicht dadurch verändern, dass wir alles von Grund auf neu schaffen. Viele unserer Verwaltungs- , Bildungseinrichtungen und Unternehmen verlangen nach einer Evolution von innen heraus. Das fordert diese "alten" Organisationen; Spannungen und Konflikte treten vermehrt zutage.

Wollen Führungskräfte hier mit Mut und Kraft den Wandel vorantreiben, benötigen sie einen Blick für kulturelle Faktoren, ein Verständnis von systemischen Zusammenhängen und die Fähigkeit, Ungerechtigkeit beim Namen zu nennen. Dies allein wird zwar nicht ausreichen, um mit dem globalen Kult des Wettbewerbs, der Ausbeutung und des ungehemmten Wachstums zu brechen, aber es schafft eine Grundlage für ein anderes Denken und Handeln.

Kollektive Ausgrenzungserfahrung

Ich erlebe, dass Frauen in Führungspositionen diese Qualitäten und Perspektiven stärker einbringen. Vielleicht hat die kollektive Ausgrenzungserfahrung über die letzten Jahrhunderte ihr Sensorium für Ungerechtigkeiten geschärft, und sie tun sich leichter, diese zu konfrontieren. Uns Männern, die meist die Erfahrung machen, dass uns die Welt zu Füßen liegt, fällt das schwerer. Was nicht heißt, dass nicht auch wir unser "Handwerkszeug" erweitern können.

Für alle Führungskräfte gilt es, sich selbst infrage stellen zu können und in der eigenen Verwundbarkeit zu zeigen. Damit werden sie zu echten Vorbildern. Diese braucht es mehr als verklärte Helden. (Philippe Narval, 10.7.2023)