Innsbruck – Da staunte der gelernte österreichische Mountainbiker nicht schlecht. Neulich beim Einkaufen in einem großen Sportwarenhaus in Innsbruck: am überdimensionalen Bildschirm laufen fetzige Mountaibike-Werbevideos in Dauerschleife. Die Filmchen sollten wohl zeigen, was für eine umfassende Auswahl an Radlzeug es hier käuflich zu erstehen gäbe. Eine junge Dame, herausgeputzt in feinstem Lycra, kurvte mit ihrem brandneuen E-Mountainbike einen Forstweg hinauf. Ein Herr in den besten Jahren, ebenfalls in Eins-a-Lycra Montur, bewegte sein Rennrad athletisch die Passstraße hoch und runter. Und dann kamen da vier junge, coole Herrschaften, die mit ihren teuren vollgefederten Mountainbikes den Berg hinaufpedalierten. Nur um sogleich noch viel cooler einen Trail hinunterzushredden. Am Ende rollten sie chillig in ebendieses Sporthaus hinein, weil sie offenbar allesamt dort in der Bikeabteilung arbeiten.  

Mountainbiker springt mit seinem Fahrrad im Wald über einen Double.
Werben mit verbotenen Früchten
Screenshot aus dem Werbevideo vom Viller Kopf, wo Mountainbiken streng verboten ist.
Steffen Kanduth

So weit, so cool und zum Kaufen animierend. Wenn der tolle Trail, gespickt mit Doubles und Wurzelteppichen, nicht so unfassbar bekannt ausgesehen hätte. Es ist nämlich jenes Revier, das jede Innsbruckerin und jeder Innsbrucker mit Mountainbike kennt: der Viller Kopf. Nebst tollen Trails ist dieses Gebiet im Süden der Stadt vor allem dafür bekannt, dass Mountainbiken dort verboten ist. Seit 20 Jahren tobt hier ein Konflikt, seit ebenso langer Zeit werden Mountainbiker, die ebenda am Radl erwischt werden, angeschnauzt, beschimpft und/oder angezeigt. Was sie nicht hinderte, ein Netzwerk an illegalen Wegen zu bauen, das nun wiederum für offizielle Werbevideos genutzt wird.

Vier Mountainbiker geben sich ein High Five, bevor sie ihre Trail-Abfahrt starten.
Screenshot aus einer Mountainbike-Werbung im illegalen Trailrevier
Wer in Innsbruck auf dem Mountainbike unterwegs ist, kennt den hier abgebildeten Ort und weiß, dass Radler dort ungern gesehene Gäste sind.
Steffen Kanduth

Werbung auf Kosten des Sports

Auf Nachfrage beim Unternehmen gab man sich ahnungslos. Ob der Werbespot insofern als Statement zu verstehen sei, dass sich diese Firma, die gutes Geld mit dem Mountainbike-Sport verdient, hinter die Forderung der Szene nach Freigabe von Wegen und Trails stelle? Nein, so sei das keinesfalls zu verstehen, dazu wolle man sich nicht äußern, hieß es auf Nachfrage. Zudem sei man kein österreichisches Unternehmen, und die gesetzliche Lage im Herkunftsland der Firma sei eine ganz andere. Man werde Rücksprache mit denjenigen halten, die den Spot produziert haben, und melde sich danach zurück. Das ist leider bis Redaktionsschluss nicht passiert. 

Doch diese missglückte Werbung ist kein Einzelfall. Direkt gegenüber, auf der Nordkette, bedient man sich ebenfalls der Mountainbiker zur Imagepolitur. Wer die Gondel nutzt, kann sich die Wartezeit im Stationsgebäude mit den tollen Videos vertreiben, die dort auf diversen Bildschirmen zeigen, wie vielfältig und cool das Angebot nicht sei. Unter anderem laufen dort auch wunderschöne Bilder vom berühmten Nordkette Singletrail. Auch kostenpflichtige Tickets zum Biketransport in der Seilbahn werden online angeboten. Blöd nur, dass dieser Trail seit Jahren gesperrt ist und nun sogar rückgebaut werden muss. Damit verliert Innsbruck nach knapp 20 Jahren seine bekannteste Mountainbikestrecke.

Irreführung von höchster Stelle

Man kann den Unternehmen kaum einen Vorwurf machen. Denn von offizieller Seite wird es genauso gemacht. Den bisherigen Tiefpunkt im verlogenen Umgang mit Mountainbiken markierte die damalige ÖVP-Tourismusministerin Elisabeth Köstinger selbst, die 2019 die mit zwei Millionen Euro bis dahin teuerste Kampagne der Österreich Werbung mit dem Slogan "You like it? Bike it!" auf der Tourismusmesse in Berlin präsentiert hat. Diese Kampagne war nichts anderes als Irreführung von höchster Stelle. Denn wer diese Werbung ernst und wörtlich nimmt, riskiert in Österreich empfindliche Geldstrafen. Aber sei's drum, wen interessieren schon die paar Hunderttausend aktiven Mountainbiker? Die sollen sich gefälligst auf ihre Rolle als Konsumentinnen und Konsumenten beschränken. Kauft weiter teure Radln und bucht teure Bike-Urlaube – oder zahlt brav die Strafen, die ihr fürs Radeln auf dem illegalen Hometrail bekommt. (Steffen Kanduth, 11.7.2023)