Die Aussagen des ÖVP-Niederösterreich-Mediensprechers Bernhard Ebner und seines Pressesprechers Günther Haslauer, wonach politische Haltung mit Qualitätsjournalismus unvereinbar sei, wurden vielerorts unterschiedlich interpretiert. Das Spektrum der Erklärungsversuche reicht von "strategisch notwendiger Unsinn" und "Einschüchterungsversuch" über "Solidaritätsadresse an den gerade in Österreich weilenden Viktor Orbán" bis zu "Sonnenstich" oder "erfolgreicher Account-Hack durch die Tagespresse". Noch zu wenig beachtet wurde meines Erachtens ein mögliches Aussagemotiv, in dem die aktuelle Themensetzung der niederösterreichischen Landesregierung zum Ausdruck kommt: der Wunsch nach Normalität.

Johanna Mikl-Leitner
Die niederösterreichische ÖVP unter Parteichefin Johanna Mikl-Leitner erntet für ihr Verständnis von Qualitätsjounalismus viel Unverständnis.
APA/ROLAND SCHLAGER

Ebner und Haslauer halten in ihrem Verständnis von Qualitätsjournalismus ganz spezielle Zugänge für normal. Wie diese Zugänge ausschauen, kann man im Protokoll der ORF-internen Untersuchungskommission zum Missbrauch des Landesstudios Niederösterreich für Propagandazwecke der örtlichen ÖVP nachlesen. Demnach versteht die VPNÖ unter Journalismus nicht Analyse, Investigation oder kritisches Nachfragen, sondern die Erfüllung von Aufträgen. Da wird dann aber wirklich auf Qualität geschaut. So schrieb Martin Brandl, Haslauers Vorgänger als Pressesprecher Johanna Mikl-Leitners, an den mittlerweile abberufenen Direktor des Landesstudios Robert Ziegler: "Wie gestern vorangekündigt. Ideal wäre ein Kameraschwenk und gleich darauf O-Ton-Möglichkeit mit Chefin im Büro. Wir haben folgende Teilnehmer bereits kontaktiert:" Darauf folgt eine Mail-Adressen- und Telefonnummernliste der vom ORF zu befragenden Personen.

Und tatsächlich: Die vom VP-Mann angeordneten Interviews mit Obleuten des Pfadfinderverbandes, des Blasmusikverbandes und der Vorständin des Hospiz-Landesverbandes wurden allesamt auftragsgemäß ausgeführt und im TV-Beitrag präsentiert. Das zeugt von einer sehr speziellen Qualität, die Journalistinnen und Journalisten mit – nicht nur politischer, sondern jeglicher, auch nur ansatzweise aufrechter – Haltung nicht liefern können.

Von noch speziellerer journalistischer Qualität war ein ORF-Bericht in NÖ heute über ein Schulungsprogramm für aktive und zukünftige ÖVP-Parteimitglieder. Die Landeshauptfrau persönlich preist darin die Verheißungen einer Mitgliedschaft in ihrer Partei mit folgenden denkwürdigen Worten: "Politische Beteiligung kann sexy und spannend sein. Wer etwas bewegen und gestalten will, muss Ja zur Verantwortung sagen, denn Kritik zu üben, ist zu wenig!" Das klingt auch wie eine mahnende Botschaft an auf Kritik und Haltung fixierte Journalisten, die sich immer noch gegen niederösterreichische Qualitäts- und Normalitätskriterien sperren.

Wobei ausgerechnet Letztere von der von Mikl-Leitner behaupteten "Mehrheit der normal denkenden Mitte" nicht geteilt werden. Bei einer heuer für den STANDARD durchgeführten Market-Umfrage fand der Satz "Ich finde es richtig, dass in den regionalen Programmen des ORF häufig die Landeshauptfrau auftritt" nur 25 Prozent Zustimmung.

Ob das Verhältnis der VPNÖ zum Journalismus "spannend" oder "sexy" ist, bleibt diskutierbar, von "normal" kann aber definitiv keine Rede sein. (Florian Scheuba, 13.7.2023)