Gerald Schubert aus Skopje

Der Visite sollte ausreichend Gewicht verliehen werden: Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg flog am Donnerstag nicht allein in Nordmazedoniens Hauptstadt Skopje, sondern gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Tschechien und der Slowakei, Jan Lipavský und Miroslav Wlachovský.

Es war nicht die erste gemeinsame Reise der Außenminister der drei Länder, die gemeinsam in der sogenannten Slavkov-Gruppe (zu Deutsch: Austerlitz-Gruppe) verbunden sind. Zudem war der Trip "mandatiert". Soll heißen: Er erfolgte praktisch im Auftrag des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell – und zwar mit dem Ziel, die Annäherung des Westbalkanlandes Nordmazedonien an die Europäische Union voranzutreiben.

Zu dritt auf EU-Mission: Tschechiens Außenminister Jan Lipavský (links), Österreichs Chefdiplomat Alexander Schallenberg (zweiter von rechts) und ihr slowakischer Kollege Miroslav Wlachovský (rechts) zu Gast im mazedonischen Außenamt bei Bujar Osmani (zweiter von links).
APA/BMEIA/MICHAEL GRUBER

Eine einfache Mission ist das freilich nicht. Nordmazedonien möchte zwar in die EU und hat bereits seit dem Jahr 2005 offiziellen Kandidatenstatus. Allerdings gibt es eine Bedingung für die echte Aufnahme von Beitrittsgesprächen, die sich derzeit noch in einer "Eröffnungsphase" befinden: Bulgarien besteht auf einer Verfassungsänderung, in der die bulgarische Minderheit im Land anerkannt werden soll.

Die Forderung ist auch Teil eines Kompromisspakets, das im Juni 2022 vom damaligen französischen EU-Ratsvorsitz vorgelegt und sowohl von Nordmazedonien als auch von Bulgarien akzeptiert wurde. Das Problem: Für eine solche Verfassungsänderung ist im Parlament in Skopje eine Zweidrittelmehrheit nötig, und die ist derzeit nicht in Sicht.

Nun gehe es darum, Nordmazedonien zu ermutigen, jene Schritte zu setzen, die nötig seien, um die Beitrittsverhandlungen ernsthaft eröffnen zu können, erklärte Schallenberg bereits zu Beginn der Reise vor Journalistinnen und Journalisten. "Andernfalls droht Nordmazedonien mit einem Motorschaden auf dem Pannenstreifen zu enden."

Tiefsitzender Konflikt

Die Streitigkeiten mit dem EU-Mitglied Bulgarien haben eine lange Geschichte. In Skopje gibt es gar die Sorge, der östliche Nachbar verfolge mit seiner Blockadehaltung großbulgarische Ambitionen und wolle die mazedonische Identität insgesamt angreifen.

Vor allem die größte Oppositionspartei, die rechte VMRO-DPMNE, wollte bisher keine Zugeständnisse machen und stemmt sich gegen die Verfassungsänderung. Deshalb absolvierten die Besucher nicht nur Treffen mit Vertretern der sozialdemokratisch geführten Regierung, sondern auch mit der Opposition.

Dabei hat sich gerade das kleine Westbalkanland mit seinen knapp zwei Millionen Einwohnern in der Vergangenheit als besonders reformfreudig erwiesen. Zahlreiche Rechtsvorschriften wurden bereits mit EU-Recht harmonisiert. Um auf dem Weg zu Beitrittsverhandlungen weiterzukommen, stimmte man in Skopje auf Druck aus Athen sogar einer Änderung des eigenen Staatsnamens zu.

DER STANDARD

Hintergrund: Seit der Unabhängigkeitserklärung der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien 1991 befürchtete der südliche Nachbar Griechenland Ansprüche auf die nordgriechische Region Makedonien – und blockierte später ebenfalls die EU-Annäherung des jungen Staates. Erst im Prespa-Abkommen des Jahres 2018 räumten beide Seiten die Differenzen aus. Teil des 2019 in Kraft getretenen Vertrags war eben die Umbenennung Mazedoniens in Nordmazedonien.

Schallenberg und seine Kollegen aus Prag und Bratislava treten nun dafür ein, dass auch der nächste Schritt erfolgreich bewältigt werden kann. Dass Nordmazedonien immer Musterschüler war und zu den verlässlichsten Partnern der EU gehörte, attestierte Schallenberg auch auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenminister Bujar Osmani. "Nun die Verfassungsänderung zu verzögern würde auch bedeuten, den Fortschritt Nordmazedoniens zu verzögern", so Schallenberg. Parteipolitisches Denken müsse jetzt in den Hintergrund treten.

Signal auch an Bulgarien

Bei Osmani rennt er damit aber offene Türen ein. Dieser sprach von "irrationalem Widerstand der Opposition" und warnte: "Es wäre ein historistischer Fehler, auf dem eingeschlagenen Weg nicht weiterzugehen." Die Regierung wolle die Verfassungsänderung "in den nächsten Tagen" dem Parlament vorlegen.

Die Visite in Skopje sei auch ein Signal an Bulgarien, so Schallenberg. Sie finde in einem völlig neuen geopolitischen Umfeld statt, erklärte der Außenminister und verwies auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. "Auch für Nordmazedoniens Nachbarn ist nun der Moment, in dem man strategisch denken muss – nicht tagespolitisch. Ein Moment, in dem es nicht darum geht, politisches Kleingeld zu wechseln, sondern langfristige Weichenstellungen vorzunehmen." (Gerald Schubert aus Skopje, 13.7.2023)