Max Reinhardt
Der Theatervisionär Max Reinhardt bei der Arbeit.
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Von einer Persönlichkeit wie Max Reinhardt und seinen geschichtsträchtigen Bemühungen um das Theater werden die Salzburger Festspiele noch lange zehren. Vor 80 Jahren starb der Impresario und Theatervisionär verarmt in einem New Yorker Hotelapartment, vor 150 Jahren wurde er geboren. In mehreren Ausstellungen sowie einem Fest rücken die Festspiele ihren Mitbegründer nun ins Zentrum. Wie konnte er sein Theaterimperium aufbauen? Für wen wollte er Theater machen? Warum hat Marilyn Monroe seine Regiebücher ersteigert? Ein Streifzug in Stichworten.

Ungesellig Dass ein als ungesellig und scheu beschriebener Mensch wie Max Reinhardt ein so exponierter Theatermagnat werden konnte, gehört zu den vielen Widersprüchen des 1873 in Baden bei Wien als Max Goldmann in eine bescheidene Kaufmannsfamilie mit acht Kindern hineingeborenen Bühnenvisionärs. So konnte sich der spätere Festspielmitbegründer trotz Ermangelung kaufmännischer Talente (diese brachte sein Bruder Edmund ein) Besitzer mehrerer Bühnen und pompöser Domizile nennen.

Reinhardt-Bühnen Der Schauspieler und spätere Regisseur hat im Laufe seiner Karriere in Berlin, Wien, Salzburg und New York ein wahres Theaterimperium begründet. Die privatwirtschaftlich geführten Reinhardt-Bühnen haben es gar zu einem eigenen Wikipedia-Eintrag gebracht. 1911 ging ein internationaler Konzern daraus hervor, zu dem die namhaftesten Berliner Häuser gehörten, ganze elf Theater, dazu noch in Wien das Theater in der Josefstadt und das Schönbrunner Schlosstheater. Aus Letzterem erwuchs ab 1928 die heutige Ausbildungsstätte des Max-Reinhardt-Seminars.

Wahlkatholik Als weiteren Widerspruch könnte man die Faszination Reinhardts, Spross einer jüdischen Familie, für die Opulenz und wirkmächtige Inszenierungskunst der katholischen Kirche bezeichnen. Sowohl die Domplatz-Kulisse wie auch das auf erzbischöfliches Präsentationsbegehr zurückgehende Auditorium der Felsenreitschule haben Reinhardt inspiriert. Die Schauspielerin Helene Thimig, Reinhardts zweite Ehefrau, nannte ihren Gatten deshalb einen "Wahlkatholiken".

Regie Am 14. Juli 1900 wurde zum nachweislich ersten Mal in der Geschichte nach einer Premiere nicht das Schauspielensemble, sondern der Regisseur als Star gefeiert: Max Reinhardt. Zeitlebens grübelte Reinhardt über verbesserte, beeindruckendere Präsentationsformen und ließ schließlich bei seinem Berliner Sommernachtstraum alle Stückeln spielen: Drehbühne, ein plastischer (nicht gemalter) Wald, neue Lichtgebung, magische Showelemente, Musik- und Geräuscheinsätze etc. Mit Reinhardts entscheidenden Impulsen begann sich der Regieberuf zu emanzipieren und erst zu einem solchen zu werden. Seine akribisch geführten Regiebücher sind Beleg dafür – so begehrt, dass sie Marilyn Monroe 1952 ersteigert hat. Reinhardt war stets neugierig und seiner Zeit voraus. Er wollte Greta ­Garbo als Hamlet besetzen und den Jedermann mit einem schwarzen Cast realisieren. Zu beidem kam es nicht.

Max Reinhardt
Anita Louise und Max Reinhardt auf einem Promobild für den "Sommernachstraum" (USA 1935) mit einem seiner begehrten Regiebücher.
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Jedermann Am 22. August 1920 wurden mit der Aufführung des Jedermann auf dem Domplatz die Salzburger Festspiele begründet. Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal, Autor des Mysterienspiels, waren ursächlich für diese Erfolgsgeschichte verantwortlich. Bis heute bleibt der Stoff vom reichen, sterbenden Mann weltweit mit Salzburg fest verbunden.

Leopoldskron Nach Ende seines Berliner Höhenflugs suchte Max Reinhardt nach einem geeigneten Ort für Sommerspiele und konzentrierte sich schließlich ganz auf Salzburg. Schuld daran ist nicht nur die besondere barock-alpine Stadtlandschaft, sondern auch das Schloss Leopoldskron, das Reinhardt 1918 als private Sommerresidenz erworben hatte. Das Barockschloss mit Weiher, auch heute noch Veranstaltungsort der Festspiele (22./23. 7. Fest für Max Reinhardt), wurde dank Reinhardts strategischen Networkings und seiner exquisiten Gastfreundschaft bis 1937 zu einem Hotspot für Aristokratie und Politik, für Mäzene und Stars – von Winston Churchill bis Cole Porter, von William Somerset Maugham bis Mrs. Roosevelt.

Faust-Stadt Neben dem Jedermann und dem Salzburger großen Welttheater gilt Goethes Faust (1933–1937) als Reinhardts dritte bedeutende Salzburger Inszenierung. Für sie hat er eine mit Architekt und Bühnenbildner Clemens Holzmeister erdachte Faust-Stadt für die markante Arkadenkulisse der Felsenreitschule kreiert, die seit 19. Juli in einer virtuellen Rekreation im Karl-Böhm-Saal mehrdimensional erlebbar ist. Die immersive Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Ars Electronica Future Lab und dem Theatermuseum Wien. Zwei weitere Ausstellungen sind auf Schloss Leopoldskron (Schwerpunkt Faust) sowie in der Edmundsburg (Schwerpunkt Stefan Zweig) anberaumt.

Magnetismus Um Max Reinhardt entwickelte sich im Lauf der Jahre ein irrer Personenkult. Der immense und bisweilen geheimnisvolle Erfolg wurde auf ihn selbst gemünzt. Klaus Mann beschrieb dies als "Magnetismus", den Reinhardt ausgestrahlt hätte. Er selbst war kein Prahler, hielt das eigene Ich aber verdientermaßen hoch, seine Gäste in Leopoldskron hatten aus Gläsern mit seinen Initialen zu nippen. Fritz Kortner beschrieb Besuche bei Reinhardt gar als Audienzen.

Größe Max Reinhardt hat sein Theaterschaffen auf opulente Spielstätten hin ausgerichtet. Dies sollte keinem banalen Gigantismus dienen, sondern entsprach einerseits seinem geradezu immersiven Begriff eines Theaters, das das Publikum als Teil eines bewegenden Ereignisses begreift. Andererseits wollte Reinhardt ein Theater für die Massen. Mit dem Umbau des Zirkus Schumann in Berlin realisierte er bereits seinen umstrittenen Traum vom "Theater der Fünftausend" (in Wahrheit 3200 Plätze). Ausufernd war 1911 auch sein Erfolg mit Mirakel in London. Die Show hatte angeblich 1800 Mitwirkende.

Amerika Um der Verfolgung durch die Nazis zu entgehen, emigrierte Reinhardt 1937 nach Kalifornien, verlor Schloss Leopoldskron und fand trotz Umschwärmung durch Warner Brothers und der Idee von Kalifornischen Festspielen keine künstlerische Heimstätte mehr. Aus "Herr Professor!" wurde "Hi, Max!". Sein Gespür für großformatige Bühnenarbeiten wurde indes geschätzt, solange Geld daraus zu schlagen war. Für die Freiluftbühne Hollywood Bowl hatte er zuvor schon 1934 den Sommernachtstraum neu eingerichtet – mit Mickey Rooney und Olivia de Havilland als Darsteller. Allabendlich waren damals 15.000 Menschen gekommen. (Margarete Affenzeller, 21.7.2023)