Der liebliche Flecken Grafenwörth wurde im Jahre 1119 zum ersten Mal erwähnt. Aus dem Dunkel der Geschichte trat er im Jahre 2019, als Jünger Buddhas ausgerechnet dort mit einem Stupa ein Zeichen des Friedens zu setzen gedachten. Widerstand aus der Bevölkerung gegen dieses Angebot kultureller Aneignung scheiterte am Verfassungsgerichtshof, dessen Mitglieder um ihr Karma bangten. Seither blickt Gautama Siddhartha aus einer kleinen Nische seines Grafenwörther Nirwanas auf das Treiben des Bürgermeisters Alfred Riedl, der sich eben auf dem Weg ins politische Nirwana befindet. Er behauptet – das Mindeste, was man von einem gelernten Wirtschaftstreuhänder erwarten darf –, zahlenmäßig und rechtlich alles korrekt gemacht zu haben, und erwies sich gleichzeitig als ein Meister des Zen in der Kunst des Absahnens, als er daranging, ein Wohnprojekt zu entwickeln, das es an Spiritualität mit jedem Stupa aufnehmen kann, wenn man Bereicherung als religiöse Betätigung anerkennt und Geschmacklosigkeit als Baukunst.

Behauptet, alles korrekt gemacht zu haben: der Grafenwörther Bürgermeister Alfred Riedl.
Behauptet, alles korrekt gemacht zu haben: der Grafenwörther Bürgermeister Alfred Riedl.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Was ja vorkommen soll, wie der Sonnenweiher samt Foliensee in einer Anschaulichkeit beweist, die nicht nur Grauen, sondern auch einige ökologische Bedenken erregt, nicht zuletzt im Hinblick auf das Grundwasser. Zu dem bizarren Projekt hätte es gar nicht kommen müssen, wäre man den ersten Zweifeln an Riedls Grundstückszaubereien nachgegangen. Aber wer wird sich in Niederösterreich mit einem ÖVP-Gemeindechef anlegen, wenn man ihn ebenso gut zum Chef des Gemeindebundes erhöhen kann? Da wird es das Land mit der Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion ausgerechnet über Grafenwörth nicht allzu genau nehmen.

Dialektischer Normalismus

Dabei müsste gerade die Landeshauptfrau dieses Beispiel zu dem Thema machen, mit dem sie sich zur Chefideologin ihrer Partei aufgeschwungen hat: Ist die Handlungsweise des Grafenwörther Bürgermeisters normal? Oder vielleicht doch ein wenig abnormal? Ist er rein wie die Lotosblüte oder vielleicht doch ein wenig schmierig? Wer Klimakleber mühelos als abnormale Feinde der menschlichen Gesellschaft durchschaut, sollte doch auch etwas zur Grafenwörther Landschaftsverschandelung zu sagen haben. Wer dem Bürgermeister von Traiskirchen vorwirft, Marxist, somit radikal zu sein, müsste auch die eher bürgerliche Nebenbetätigung seines Grafenwörther Kollegen richtig einschätzen können. Es wär nur, damit die Leut sich auskennen.

Mikl-Leitners dialektischer Normalismus hat nach Kanzler Nehammer nun auch in der Verfassungsministerin Edtstadler eine glühende Adeptin gefunden. Sie preist die Normalen als die Mitte der Gesellschaft und schweigende Mehrheit, deren Anliegen von der Kraft der Lautesten und der Empörung der moralisch Erhabenen überlagert werde. Das haben die moralisch Erhabenen im Gemeindebund davon, dass sie mit ihrer Kraft der Empörung nun Riedls Ruhendstellung provozierten. Als Bürgermeister bleibt er.

Jetzt geht es um seine nächste Wiedergeburt. Was der Buddha von Grafenwörth zu all dem zu sagen hätte, bleibt diamantenes Geheimnis, aber klar ist: Man kann als niederösterreichische Landeshauptfrau wiedergeboren werden oder als Kaulquappe im Foliensee des Sonnenweihers, es hängt nur davon ab, ob man schweigende Mehrheit oder moralisch erhaben ist. (Günter Traxler, 27.7.2023)