Jordi Savall dirigierte in Salzburg.
photo: © Philippe Matsas

Salzburg – Walfische und Gewürm. Adler und Hirsch. Das holde Paar ist auch schon da und geht seinem Schöpfer um den Bart. Alles paletti im Paradies?

Jordi Savall und die Seinen spielen Haydns Schöpfung – "und eine neue Welt" entspringt des Dirigenten Stab. Die Vorstellung des Chaos zu Beginn des Oratoriums von 1798 ist ohnehin revolutionäre Klangmalerei, den Spektralisten zum Neid. Savall entführt in Sekunden aus dem Konzert- in den Kinosaal: Vorspann zu einem Roland-Emmerich-Epos, in dem die Welt am Ende ist.

Savalls Schöpfung betört mit plastischen Details, die beiläufig aus dem Orchester dröhnen (Subkontrafagott) oder trillern (Traversflöte) und geschmeidig wieder im Kollektiv aufgehen. Nummern, die man getragener gewohnt ist, nimmt Savall flott. Etwa Gabriels Arie Nun beut die Flur, Uriels Rezitativ Und Gott schuf Menschen oder Adam und Evas Lobpreis-Duett. Organisch dreht der Dirigent am Power-Knopf.

Die Capella Nacional de Catalunya singt mit intensivem Pianissimo und delikatem Fortissimo und stupender Textverständlichkeit. Daran kamen die Vokalsolisten nicht heran. Die viel zu kurzen Vokale der Sopranistin Giulia Bolcato als Gabriel machten aus dem vielen "Lob" nervige "lopps". Dagegen hilft auch Stimmklang nicht.

Ähnliches gilt für den eleganten Tenor von Mingjie Lei als Uriel. Die Sopranistin Flore van Meerssche als (eh schon wissen) "willige" Eva sang die textlichen Zumutungen mit Grandezza. Ebenso souverän, bei hellem Sound auch in der Tiefe, Matthias Winckhler als Raphael und Adam. Die Vokalensembles waren voll Pracht und Glanz.

Alles paletti im Paradies? "Nicht mehr zu wünschen, als ihr habt, nicht mehr zu wissen, als ihr sollt", mahnt der Engel im Finale Adam und Eva. Hat nix genutzt. Heute und draußen vor der Tür brennt diese Erde. Haydns Schöpfung ist eine hochpolitische und brandaktuelle Anklage. (klaba, 28.7.2023)