Der Zufall meinte es gut mit mir. Für die Dienstreise nach Seoul hatte ich mir einen Besuch im "League of Legends"-Park in den Kopf gesetzt. Denn wenn man als Fan des Spiels schon einmal im Land ist, das nicht nur den Ruf eines E-Sports-Paradieses hat, sondern dessen "LoL"-Liga LCK (League Championship Korea) auch als stärkste der Welt gilt, wollte ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.

Besuchen kann man den Park auch so, doch ohne einer Partie beizuwohnen ist das irgendwie nur eine halbe Sache. Doch schon der Kauf eines Tickets erwies sich als Herausforderung. Im antiquiert wirkenden Online-Store gibt es diese erst 48 Stunden vor Matchbeginn zu erstehen. Und die für mein bevorzugtes Spiel T1 gegen DRX waren binnen Sekunden weg. Kein Wunder, handelt es sich doch um das Team rund um Lee Sang-hyeok vulgo "Faker". Der 27-Jährige ist seit Jahren ein Superstar in der "League"-Szene und wird von vielen als bester Spieler der Welt angesehen. Nach wochenlanger Verletzungspause hatten Fans auf eine Rückkehr an jenem Donnerstagabend gehofft.

Foto aus dem LoL-Park in Seoul, Korea.
Eine lange Schlange hatte sich vor einer Lotterieziehung für Spieler-Merchandise gebildet.
DER STANDARD/Pichler

Eine Stunde und mehrere Anzeigefehler im Shopsystem später hatte ich die Hoffnung auf eine Karte eigentlich schon ad acta gelegt, als sich schließlich für das unmittelbar anschließende Spiel ein paar freie Plätze ergaben, da wohl jemand seine Reservierung storniert hatte. Ein paar Klicks und ein Stoßgebet an seine Nudeligkeit, das fliegende Spaghettimonster, später flatterte die Reservierungsbestätigung in meinen Posteingang. Teuer ist so ein Platz im Publikum zumindest nicht, verlangt werden 15.000 Won oder umgerechnet etwa elf Euro.

Kinoatmosphäre – und Fanpost

Trotz der Bezeichnung "LoL"-Park hat die Örtlichkeit im Stadtteil Jongno kaum Gemeinsamkeiten mit einer öffentlichen Grünfläche. Wie so vieles befindet sich auch dieses Eventzentrum in einem Hochhaus mit Shoppingmall und Büros. Darin belegt es den dritten Stock, wobei es abseits der eigentlichen "Action" auch noch ein Gaming-Café und andere Einrichtungen von Riot Games, der Entwicklerfirma hinter "LoL", gibt.

Foto aus dem LoL-Park in Seoul, Korea.
Neben dem offiziellen Shop von Riot Games betreibt auch die Liga selbst einen kleinen Store.
DER STANDARD/Pichler

Der "LoL"-Park, vor dem sich eine lange Schlange gebildet hat, erinnert in seinem Aufbau etwas an ein Kino. Beim Eintritt begrüßen einen der Merchandise-Store von Riot Games und die Bedientheke des Bilgewater-Cafés, das mit Snacks und warmem Fastfood verschiedener Art aufwartet. Dahinter gelegen sind Tische mit Sitzplätzen und ein eigener kleiner Shop der LCK (der Autor dieser Zeilen besitzt nun entsprechend gebrandete Socken).

Entlang des Eingangs zur LCK-Arena, in der die Matches stattfinden und übertragen werden, erstreckt sich ein Wartebereich mit mehreren großen Bildschirmen, auf denen man aktuell laufende Partien, Interviews und Highlights nachverfolgen kann. Hier werden auch Erinnerungsstücke ausgestellt, während auf den Säulen Fanpost an die Teams aufgehängt ist. Konzipiert wurde die Anlage vom Seouler Büro Intune Architects.

Foto aus dem LoL-Park in Seoul, Korea.
Auf den Säulen vor der Arena findet sich Fanpost an die verschiedenen Teams, in diesem Falle LSB.
DER STANDARD/Pichler

Die erwähnte Warteschlange hatte tatsächlich nichts mit den über einen eigenen Schalter abgewickelten Tickets zu tun, sondern mit einem Gewinnspiel für Merchandise mit den Antlitzen bekannter Spieler, die ähnlich gefeiert werden wie manche K-Pop-Stars. Das Publikum, das sich an diesem Abend versammelt hatte, dürfte mit leichter Mehrheit weiblich gewesen sein.

In der LCK selbst gibt es allerdings noch keine einzige Spielerin. Erst kürzlich schrieb Jeon Su-jin vulgo "DanMoo" Geschichte, als sie im vergangenen März als erste Frau in einem Match in der LCK Academy League, also der Liga für Nachwuchstalente, antrat. Im Best-of-3 setzte sich ihr Team LSB mit 2-0 gegen Nongshim Redforce durch.

Foto aus dem LoL-Park in Seoul, Korea.
Bis zu 400 Besucher können in der LCK-Arena einem Match beiwohnen.
DER STANDARD/Pichler

Die A-Truppe von Nongshim Redforce war an diesem Abend gegen Hanwha Life E-Sports gefordert. Um die kommerziellen Dimensionen von "LoL"-E-Sport in Korea zu verdeutlichen: Nongshim ist einer der größten Hersteller von Instant-Ramen – dessen Produkte sind auch bei uns in vielen Geschäften erhältlich. Hanwha Life wiederum ist die Versicherungssparte des Großkonzerns Hanwha, einem ursprünglich im Sprengstoff- und Luftfahrtbereich gestarteten Unternehmens, das heute weltweit zahlreiche Geschäftsfelder pflegt.

Bevor es so weit war, verfolgte ich im Wartebereich mit, wie sich T1, das entgegen der Gerüchte ohne "Faker" angetreten war, eine klare Niederlage gegen DRX abholte. 20 Minuten später war die Arena für die nächste Partie vorbereitet. Eine letzte Ticket- und Passkontrolle später – die Karten werden ausschließlich namentlich abgegeben – startete der Einlass.

Entlang der hinteren Wand hängen Banner mit den Logos und Erfolgen der aktuell in der LCK partizipierenden Teams.
Foto aus dem LoL-Park in Seoul, Korea

Dresche für den Underdog

Bei Großveranstaltungen wie der alljährlichen Weltmeisterschaft kann "League of Legends" zehntausende Leute in Stadien locken. Bei LCK-Matches hingegen finden nur maximal 400 Zuseher Platz. Aufgeteilt sind sie in zwei seitliche Abschnitte für die Fans der jeweiligen Teams, sowie einen "neutralen" Sektor dazwischen. Wie üblich war die Arena ausverkauft, einzelne Plätze blieben aber leer, weil die Inhaber der Reservierung den Matchtermin doch nicht wahrnehmen konnten. Hunderttausende wohnten dem Match aber per Livestream bei.

Dank der Restkarten-Lotterie fand ich mich unter den Fans von Nongshim Redforce wieder, die an diesem Abend aber wenig zu lachen hatten. Als Siebtplatzierte traten sie gegen die Nummer drei der damaligen Tabelle an. Mein Enthusiasmus bei der Unterstützung des Underdogs verflog allerdings schnell, nachdem sich Nongshim schon bei der Auswahl ihrer Champions vor beiden Matches dramatisch verkalkulierte.

HLE vs. NS | Match74 Highlight 07.27 | 2023 LCK Summer Split
LCK Global

Wurde man im ersten Spiel binnen 22 Minuten noch förmlich überrollt, keimte in der Anfangsphase von Spiel 2 in diesem Best-of-3 zumindest noch etwas Hoffnung auf. Doch diesen guten Start machte man sich schnell durch fragwürdige taktische Entscheidungen und andere Eigenfehler zunichte. Nach 27 Minuten war auch diese Partie zugunsten von Hangwha entschieden. Teams, die sich auf Augenhöhe begegnen, duellieren sich üblicherweise 35 Minuten oder länger. Die durchschnittliche Matchlänge in der LCK liegt in dieser Saison bislang bei rund 32 Minuten.

Nach der Verabschiedung der verdienten Sieger leerten sich die Ränge schnell. Das Café und die Shops hatten mittlerweile geschlossen. Die Besucher machten sich dementsprechend zügig auf den Weg nach Hause oder in die Restaurants im Erdgeschoß. Ich selbst spazierte in der schwülen Abendhitze Richtung U-Bahn-Station Jonggak, um diesem Ausflug auch noch eine ungeplante Öffi-Irrfahrt anzuhängen. Aber das ist eine andere Geschichte. (gpi, 5.8.2023)