Mehr als zweieinhalb Jahre hat sich Staatsanwältin Fani Willis Zeit genommen, um ihre Anklageschrift wasserdicht zu machen – doch letztlich ging es dann doch schneller als gedacht: Eine Grand Jury im US-Bundesstaat Georgia entschied schon Montagabend (Ortszeit), dass die 98-seitige Anklage gegen Donald Trump und 18 weitere Beschuldigte im Zusammenhang mit dem Versuch der Fälschung des Wahlergebnisses in ihrem Bundesstaat "reif" ist.

Der um ein Comeback ins Weiße Haus bemühte Ex-Präsident hat es mitten im Wahlkampf mit vier Gerichtsverfahren gegen ihn zu tun: In New York geht es um Schweigegeldzahlungen, in Miami um das Beiseiteschaffen geheimer Regierungsdokumente, in Washington u. a. um Verschwörung gegen die Nation und jetzt in Atlanta um den Versuch, ein Wahlergebnis zu fälschen.

Donald Trump mit roter Kappe und weißem Golfshirt
Donald Trump am 13. August 2023 bei einem Golfturnier in New Jersey: Volle Konzentration oder große Sorge?
AFP/TIMOTHY A. CLARY

Doch lässt sich Trump von all diesen juristischen Kalamitäten beirren? Lässt er sich einschüchtern? Im Gegenteil. Wie jedes Mal, wenn es gegen ihn geht, holt er zum wuchtigen Gegenschlag aus und stimmt sein mittlerweile bestens bekanntes Lamento an: Er sei unschuldiges Opfer einer "Hexenjagd", die "extreme Linke" habe es auf ihn abgesehen. Und er hat offensichtlich auch keinerlei Probleme damit, afroamerikanische Staatsanwältinnen wie Willis als "psychopathische Rassistinnen" zu beschimpfen. Ausgerechnet.

Freibrief bei den Radikalen

Trumps Anhängerschaft johlt und applaudiert: Hier ist einer, der sich nichts gefallen lässt; einer, der furchtlos ist – komme, was wolle. Dass der Rechtspopulist bei den konservativen Rechten in den USA einen Freibrief zu haben scheint, überrascht nicht. Mit ihnen hat er schon 2016 als Quereinsteiger eine Präsidentschaftswahl gewonnen. Er hatte es verstanden, sie aus der politischen Versenkung zu holen, sie dazu zu motivieren, sich als Wähler und Wählerinnen registrieren und am demokratischen Prozess – freilich reichlich destruktiv – teilnehmen zu lassen, statt sich diesem zu verweigern. Das werden sie weiter machen – zumindest so lange ihr Idol Donald Trump auf der politischen Bühne steht. Politische Realitäten und juristische Gegebenheiten sind nebensächlich, ja, eigentlich völlig egal.

Insofern kann Trump von den Anklagen gegen ihn kurzfristig sogar profitieren: Erst vor zwei Wochen wurde in Washington Anklage gegen ihn erhoben – wegen mutmaßlicher Verschwörung gegen die USA und wegen Aufstachelung zur Revolte am 6. Jänner 2021 vor und im US-Kapitol. Doch hat sich diese juristisch sehr schwerwiegende Anklage negativ auf Trump ausgewirkt? Laut Umfragen nein: Er führt im parteiinternen Rennen um die Kandidatur der Republikaner für die Präsidentenwahl 2024 weiterhin haushoch gegen ebenfalls sehr rechte Anwärter und Anwärterinnen wie Ron DeSantis oder Nikki Haley.

Ja, aber …

Dennoch sieht die längerfristige Zukunft Trumps alles andere als rosig aus. Nur mit seiner radikalen, sich jeder Vernunft verweigernden Anhängerschaft wird er vielleicht die parteiinternen Vorwahlen der Republikaner für sich entscheiden können. Dort, wo es aber dann wirklich darauf ankommt – beim großen Finale am 5. November 2024 gegen den demokratischen Amtsinhaber Joe Biden –, kann es schon ganz anders aussehen. Denn dort werden die Stimmen von vielen Millionen Amerikanerinnen und Amerikanern schlagend, die in ihrer Anschauung moderater sind; die sich bisher nicht entscheiden können zwischen zwei Kandidaten, die beide nicht gerade eine attraktive Wahl darstellen.

Doch vielleicht ist das Rennen schon früher gelaufen: mitten in der Wahlkampagne. Zwar ist nicht damit zu rechnen, dass Trump in einem der Prozesse innerhalb der nächsten 14 Monate schon rechtskräftig verurteilt wird. Doch eines ist sicher: Trump wird sich nicht zu 100 Prozent seiner Wiederwahlkampagne widmen können. Er wird immer wieder in New York, Miami, Washington und Atlanta vor Gericht erscheinen müssen. Er wird immer wieder tagelang mit seinen Anwälten Verteidigungsstrategien entwerfen und verfeinern und dann wieder neu erfinden müssen. Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Geld, das Trump lieber für seinen Wahlkampf einsetzen würde. Geld, das er nicht aus dem Kampagnenbudget abzweigen kann. Geld, von dem er selbst vielleicht gar nicht so viel hat. (Gianluca Wallisch, 15.8.2023)