Der für die internationale Reputation unseres Landes peinlichste Moment dieses Sommers fand am 19. Juli beim "Aspen Security Forum" statt. Im Rahmen eines Podiumsgesprächs bestätigte der renommierte Bellingcat-Investigativjournalist und Putin-Kritiker Christo Grozev auf Nachfrage der Financial Times, dass er Österreich verlassen musste, da er von Mitarbeitern unseres von russischen Agenten unterwanderten Geheimdienstes bespitzelt wurde. Grozevs Erklärung des Skandals lautete: "Austria is unfortunately heavily penetrated by Russian interests."

Zur Veranschaulichung dieser Penetration eignet sich auch der Fall des in der Wiener Villa des Investors Alexander Schütz wohnenden und per Auslieferungsantrag der US-Behörden gesuchten Oligarchen Dmitri Firtasch. Er ist neuerdings auch Beschuldigter eines Strafverfahrens, in dem ihm vorgeworfen wird, den ukrainischen Staat beim Ankauf von Gas zwischen 2016 und 2022 um rund 450 Millionen Euro betrogen zu haben.

Putin-Kritiker Grozev zieht Bilanz: "Österreich ist leider stark von russischen Interessen durchdrungen."
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In ihrem Enthüllungsbuch Putins Netz beschreibt Catherine Belton unter anderem, wie es Firtaschs Firma Rosukrenergo darum ging, Beamte zu korrumpieren, um die Demokratie in Russlands Nachbarstaaten zu untergraben, Schmuggelwirtschaft aufzubauen und Schwarzgeldoperationen für Wladimir Putin durchzuführen. Firtasch sei der "Lieblingsgashändler des Kreml" gewesen mit "besten Verbindungen zum auf der FBI-Fahndungsliste der meist gesuchten Verbrecher stehenden russischen Mafiaboss Semjon Mogilewitsch".

Schon drei Jahre davor hatte der Investigativjournalist Tom Burgis in Kleptopia: Wie Geheimdienste, Banken und Konzerne mit schmutzigem Geld die Welt erobern die enge Beziehung Firtaschs zu Mogilewitsch beschrieben, wobei ein Detail besonders elegant wirkt: Als eine der vielen Geldwaschfirmen diente Mogilewitsch ein Bestattungsunternehmen. Angesichts der Tatsache, dass nach dem russischen Mafiaboss und Putin-Kumpel nicht nur wegen Aktienbetrugs, Beteiligung an Waffenhandel, Erpressung und Drogenhandels gefahndet wird, sondern auch wegen von ihm veranlasster Auftragsmorde, erscheint ein ihm gehörendes Bestattungsinstitut von konsequenten Synergiegedanken inspiriert.

Durchaus möglich, dass auch für den nach wie vor in Wien weilenden Firtasch Synergie-Überlegungen eine Rolle spielen. Betreut vom bewährten ÖVP-Spindoktor Daniel Kapp kann er sich darüber freuen, dass über den ihm vorgeworfenen 450-Millionen-Betrug nicht allzu viel in heimischen Medien berichtet wurde. Am skurrilsten war dabei die Überschrift einer im Volksmund "Schmalbart-News" genannten Putin-Propaganda-Plattform: "Ukraine geht auf Oligarchen Firtasch los."

Der Arme! Sollten die finanziellen Forderungen gegen ihn schlagend werden, kann er sich ja vielleicht bei "Schmalbart-News" künftig etwas dazuverdienen. Er würde dabei in der Familie bleiben, denn die Plattform gehört Eva Schütz, der Gattin von Firtaschs Quartiergeber. Denkbar wären etwa TV-Shows wie ein Anti-Reise-Magazin "Ich möchte niemals nach New York", das Reality-Format "Geschützt mit Schütz", die Castingshow "USDS – Ukraine sucht den Superdieb" oder das Austrian Adult Entertainment Blue Movie "Penetrated by Putin". (Florian Scheuba, 23.8.2023)