Sara Selimaj arbeitet an vier Volksschulen. Ihr Arbeitstag beginnt fast täglich unter einer anderen Schulleitung, an einem anderen Ort im Südosten der Steiermark. Ihre insgesamt rund 200 bis 240 Schülerinnen und Schülern kennt sie alle mit Namen. Sie wird Kollegin genannt, als "rechte Hand der Direktorin" angesprochen, Lehrerin ist sie keine.

Als sogenannte administrative Assistenz übernimmt die 34-Jährige seit zwei Jahren jene Aufgaben, die sich davor in den Direktionen österreichischer Pflichtschulen türmten. An vielen Volksschulen, Mittelschulen, Sonderschulen und Polytechnischen Schulen gibt es weder ein Sekretariat noch eine Administration. Ein Großteil des bürokratischen Aufwandes – etwa die Erstellung der Abrechnungen, des Budgets oder auch der Stundenpläne – muss von Schulleitungen selbst übernommen werden. Dass dadurch wenig Spielraum für pädagogische Arbeit bleibt, kritisiert die Berufsgruppe seit Jahren.

Damit sich die Lehrenden ausreichend um die Schülerinnen und Schüler kümmern können, braucht es in den Direktionen Unterstützung für die administrativen Tätigkeiten. Doch nicht alle Schulen erhalten genügend Personal.
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Forderung nach Entlastungsmaßnahmen

Im Juli 2020 kam das Bildungsministerium schließlich der Forderung nach mehr administrativem Unterstützungspersonal an den Pflichtschulen nach. Ein Pilotprojekt mit dem Arbeitsmarktservice (AMS) sollte mit bis zu 1.000 Langzeitarbeitslosen oder Wiedereinsteigern einerseits den Arbeitsmarkt beleben, andererseits eine "dringend benötigte Entlastung der Pflichtschulstandorte im administrativen Bereich" ermöglichen. Ab 1. September 2023 sind administrative Assistenzen nun auch gesetzlich geregelt. Mit rund 15 Millionen Euro pro Schuljahr sollen zwei Drittel der Kosten aus dem Finanzausgleich durch den Bund abgedeckt werden. Die Finanzierung des letzten Drittels ist Ländersache.

"Ich war tatsächlich sehr lange arbeitslos beziehungsweise in Karenz. Nach vier Jahren zu Hause wollte ich aber unbedingt wieder ins Berufsleben zurück", sagt Selimaj. Eine kaufmännische Reifeprüfung und Berufserfahrung in Büros sollten der Mutter von drei Kindern beim Wiedereinstieg zugutekommen. Aus den ursprünglich drei zu betreuenden Schulen wurden recht schnell vier. Weiteren Anfragen musste sie absagen.

Von der anderen Seite erlebt Christine Obermayr die Situation. Die Mittelschuldirektorin in Oberösterreich wird seit Beginn des Pilotprojekts ebenfalls durch eine administrative Assistenz unterstützt. Mit zwölf Klassen und insgesamt 42 Lehrpersonen ist sie Leiterin einer größeren Schule – sie muss sich ihre Unterstützungskraft daher nicht mit drei, sondern nur mit einer weiteren Einrichtung teilen. Gleichzeitig kennt sie aber viele Standorte, die noch Hilfe bräuchten: "Man kann nicht sagen, ein Schulleiter hat Glück, dass er eine administrative Hilfskraft hat. Eigentlich müsste es so sein, dass er eine hat."

Hinten im EU-Vergleich

Dass es bei der Anzahl an administrativen Unterstützungskräften in Österreichs Pflichtschulen immer noch Luft nach oben gibt, zeigt sich im EU-Vergleich. Laut der letzten OECD-Studie im Jahr 2018 – die nächste Erhebung findet 2024 statt – kommen in Österreich 15 Lehrpersonen auf einen administrativen Dienstposten. Derzeit entspricht Selimajs Anstellungsverhältnis in etwa dem Ergebnis von vor fünf Jahren. Andernorts war das Verhältnis bereits 2018 im Schnitt 7:1.

Ob neben den im Finanzausgleichsgesetz vorgesehenen 650 "Vollzeitbeschäftigungsäquivalenten" weitere administrative Assistenzen angedacht werden, wurde vom Bildungsministerium auf STANDARD-Nachfrage bisher nicht beantwortet. Auch die Weiterbeschäftigung der derzeit angestellten Unterstützungskräfte war laut einem STANDARD-Rundruf im Juli dieses Jahres noch nicht in allen Bundesländern gesichert. In Kärnten hätte die neu geregelte Kofinanzierung etwa eine Reduzierung der Kräfte bedeutet, weswegen zusätzliche Landesmittel zur Verfügung gestellt wurden. Laut einem Schreiben des Landes Kärnten soll dadurch ein Großteil der bestehenden administrativen Kräfte in den Kärntner Schulen gesichert werden. Die Bildungsdirektion Steiermark verweist währenddessen auf den "Wirkungsbereich der Gemeinden" – und gibt keine Auskunft. Land und Städte beziehungsweise Gemeindebund teilen sich dort die Finanzierung des letzten Drittels.

Sara Selimaj arbeitet an vier verschiedenen Schulen.
privat

Von einer ihrer vier Direktorinnen wisse Selimaj seit Ende August, dass die Verhandlungen zwischen dem Land Steiermark und den Gemeinden noch laufen. Ihr Vertrag läuft mit 31. August aus, einen neuen hat sie noch nicht. Wenige Wochen vor Schulbeginn bleibt die Frage nach dem Gehalt ebenfalls offen. "Ich weiß tatsächlich nicht, wie es finanziell im Herbst weitergeht und wer mein zukünftiger Arbeitgeber sein könnte", sagt Selimaj. Während sie im ersten Jahr des Pilotprojekts noch rund 1700 Euro netto für eine Teilzeitanstellung verdiente, waren es im Folgejahr nur mehr 1200 Euro.

Umfrage nach Schulbeginn geplant

Es ist "dieses Zuwarten, dieses Hinhalten", das auch Obermayr kritisiert. "Wir sollen gute Arbeit leisten, wir bilden die nächsten Generationen aus und erfahren so wenig Unterstützung", sagt die Direktorin aus Oberösterreich, die auch Obfrau der Vereinigung pädagogischer Führungskräfte Austria ist. Der Verein habe sich, sagt Obermayer, aus der Not heraus erfunden und fordert weitere Entlastungsmaßnahmen für Pflichtschuldirektorinnen und -direktoren, eine Schärfung des Berufsbildes und eine gesetzliche Standesvertretung auf Bundesebene. Eine Umfrage des Vereins zur Belastung österreichischer Pflichtschulleitungen ist knapp nach Schulbeginn geplant. Laut Obermayr wartet auch das Bundesministerium auf die Ergebnisse, die mit Ende des Jahres erwartet werden.

Sollten Selimajs Direktorinnen bei dieser Umfrage teilnehmen, dürften sie wohl einiges zu sagen haben. So soll eine der vier laut Selimaj einmal betont haben: "Wenn du gehst, Sara, geh ich auch. Weil so schaff ich's nicht." (Anna Wiesinger, 28.8.2023)