Das Wohnzimmer, wie die Pannonische Tafel ihren Gemeinschaftsraum neben dem Geschäft nennt, ist um halb elf Uhr in Eisenstadt mehr als gut gefüllt. In dreißig Minuten beginnt die Ausgabe. Noch werden Lieferungen gebracht, sortiert und in den Regalen verstaut. "Wir bekommen immer weniger", sorgt sich eine Mitarbeiterin. "Die Supermärkte verkaufen die Ware, die bald abläuft, lieber stark verbilligt selbst, statt sie uns weiterzugeben."

Ein Mann trägt eine Schachtel vor einem Gemüseregal.
Ein Mitarbeiter der Pannonischen Tafel hilft in Eisenstadt beim Anliefern von Lebensmitteln.
Guido Gluschitsch

Etliche Plätze im Frischeregal sind noch frei. Bei der Trockenware, wie etwa Brot genannt wird, erkennt man an den "–25 Prozent"-Pickerln, welche Supermarktkette sie bereitgestellt hat. Und nun fürchtet die Pannonische Tafel, dass sich die Lage weiter verschärfen könnte. Schuld ist das Land Burgenland. Zumindest wenn es nach Andrea Roschek, Geschäftsführerin und Obfrau der Pannonischen Tafel, und Regina Petrik, Klubobfrau der Grünen im Burgenland, geht. Letztere unterstellt vor allem Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) mit seinen landeseigenen GmbHs eine Verstaatlichungspolitik, die gewachsene Strukturen zerstört.

Sonnenmarkt gegen Tafel

In diesem Fall geht es um die Soziale Dienste Burgenland GmbH, die unter dem Namen Sonnenmarkt bereits Sozialmärkte in Mattersburg, Güssing, Oberwart und Neusiedl am See betreibt. So weit, so gut. Nur: Dass Mitte September ein Sonnenmarkt in Gehweite der Pannonischen Tafel in Oberpullendorf eröffnet wird, ließ nun den Kampf losbrechen, wer den Ärmsten denn am besten helfen würde. Bis dahin galt die Abmachung, dass die Sonnenmärkte nur dort entstehen, wo noch kein anderer Sozialmarkt existiert. Inzwischen befürchtet Roschek, dass selbst in Eisenstadt bald einer errichtet werden könnte – und dort die Lebensmittel absammelt, die eigentlich gerne die Pannonische Tafel verteilen würde. Konkurrenz ist aber nur einer der Kritikpunkte.

Verpackte Lebensmittel, mit Rabattmarkerln drauf.
Die Aufkleber lassen erahnen, woher die Spenden für die Tafel in Eisenstadt gekommen sind. Lebensmittelhändler versuchen Ware, die bald abläuft, vergünstigt zu verkaufen – sehr zum Leidwesen der Tafel.
Guido Gluschitsch

Roschek wirft dem Land vor, dass die Tafel bei Gesprächen, zu denen sie eingeladen war, nicht gehört wurde: "Egal was man in den Sitzungen gesagt hat, es ist in einem gehässigen Ton über uns drübergefahren worden. Es war diktatorisch", erinnert sie sich. "Ich werd euch noch zwingen", soll ein Mitarbeiter von Doskozils Büro gesagt haben – gemeint war damit, dass die Tafel jenes Konzept umsetzen werde, welches das Land vorgestellt hat.

Unterschiedliche Konzepte

In Doskozils Büro kann man den rüden Umgang nicht bestätigen. "Die Pannonische Tafel war von Anfang an miteingebunden, und es gab viele Angebote zur Zusammenarbeit, aber sie haben zum Teil andere inhaltliche Vorstellungen und Zielsetzungen, was legitim ist", sagt Roland Fürst, Sozialsprecher der SPÖ Burgenland. So setzt etwa das Land auf eine wissenschaftliche Begleitung bei der Implementierung seiner Märkte, und "das Konzept wurde von Experten wie dem größten Betreiber von Sozialmärkten entwickelt".

Eine Frau sortiert an einem Schuhregal Schuhe.
Der Markt der Pannonischen Tafel in Oberpullendorf hat auch ein großes Angebot an Second-Hand-Ware.
Guido Gluschitsch

Roschek kritisiert wiederum, dass die Preise im Sozialmark des Landes um ein Vielfaches höher seien als bei der Tafel – und die hohen Kosten des Sonnenmarkts. Die Förderungen des Landes belaufen sich auf bis zu 600.000 Euro jährlich – während die Tafel in 15 Jahren nur 60.000 Euro an Förderung bekommen hat – und ab nun gar nichts mehr. Stimmt so nicht, heißt es aus dem Büro von Soziallandesrat Leonhard Schneemann (SPÖ) – allein seit 2013 sei die Tafel mit rund 180.000 Euro gefördert worden. Nun bekommt die Tafel gar keine Förderung mehr, erklärt Roschek.

Eine Frau vor einem Regal mit Gläsern.
Karin arbeitet ehrenamtlich und gerne bei der Pannonischen Tafel in Oberpullendorf.
Guido Gluschitsch

Während in den Märkten der Tafel darauf geschaut werde, dass jede und jeder, der kommt, frische Ware erhält, laufe das beim Sonnenmarkt anders. Dort würden sich die ersten Kunden das Wagerl mit der Frischware anfüllen, und für die restlichen Kunden bleibe nichts mehr übrig, ärgert sich Roschek. Und sie stellt die Frage in den Raum: "Warum darf ein Asylwerber nicht im Sonnenmarkt einkaufen?" Darauf antwortet Fürst: "Es stimmt schlichtweg nicht, dass der Einkauf im Sozialmarkt an die Staatsbürgerschaft gebunden ist. In den burgenländischen Sonnenmärkten können alle einkaufen, die einen legalen Aufenthalt in Österreich haben."

Rot gegen Grün

Auch über das Engagement der Grünen bei dem Thema zeigt man sich in der Landes-SPÖ verwundert. "Die Partei, die in der Regierung sitzt und die Armut im Land zu verantworten hat, sagt jetzt uns, die wir die am stärksten sinkende Armutsquote aller Bundesländer haben, wie man sozial arbeiten soll?", moniert einer aus der Landespartei. Trotz aller Turbulenzen bleibt Fürst dabei: "Die Einladung zu einer Zusammenarbeit bleibt natürlich aufrecht, denn wir wollen die bestmögliche Lösung für die Betroffenen." (Guido Gluschitsch, 4.9.2023)

Ein Raum mit Sofa und einem großen Tisch.
Der Wohnzimmer genannte Gemeinschaftsraum der Tafel in Oberpullendorf. Das Konzept des Wohnzimmers hat das Land Burgenland für seine Sonnenmärkte übernommen.
Guido Gluschitsch