Pkws und Lkws im grauen Novembernebel unterwegs auf der Tauernautobahn. Höchstgeschwindigkeit ist aufgrund des Immissionsschutzgesetzes-Luft hundert km/h.
In den Wintermonaten ist die Luft meist schlechter, die Feinstaubbelastung steigt vor allem durch Verkehr und Hausbrand. Dann wird das Tempolimit gemäß Immissionsschutzgesetz-Luft aktiviert. Die Einnahmen aus den Strafen der Temposünder fallen dafür aber weg.
APA / Barbara Gindl

Von Dauer wird die Abschaffung des sogenannten Lufthunderters auf Autobahnen und Schnellstraßen nicht sein. Denn zwar haben sich die Luftgütewerte in den vergangenen Jahren stetig verbessert, und Tempo 100 gemäß Immissionsgesetz-Luft (IG-L) ist beispielsweise in Salzburg auf der A10-Tauernautobahn obsolet geworden. Bis Mitte 2024 soll aber eine neue EU-Verordnung ausverhandelt werden, die Österreich erneut Handlungsbedarf beschert.

Die Grenzwerte von Luftschadstoffen wie Stickoxide (Nox), Feinstaub (PM), Schwefeldioxid (NO2), Benzol und Blei werden dabei an die Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angepasst. Und da ist an österreichischen Messstellen wieder mit Überschreitungen zu rechnen – obwohl die EU-Kommission deutlich höhere Grenzwerte ins Auge gefasst hat. Bei Feinstaub-Emissionen (PM10), das sind Partikel kleiner als zehn Mikrometer, die aus Auspuffen oder von Heizungen stammen, liegt der von der EU vorgeschlagene Grenzwert beispielsweise mit 20 Mikrogramm (µg) pro Kubikmeter und Jahr deutlich über dem WHO-Richtwert von 15. Aktuell ist in Österreich ein Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm erlaubt.

Bei Stickstoffdioxid (NO2) peilt die EU mit 20 µg pro m3 das Doppelte des WHO-Grenzwerts an. Die Air Quality Guidelines der WHO sind Empfehlungen zum langfristigen Schutz der Gesundheit, die der EU als Basis dienen für die Überarbeitung der Luftqualitätsrichtlinie für alle EU-Länder – gültig ab 2030.

So viel zeichnet sich laut den Messungen und Erkenntnissen des Umweltbundesamts bereits ab: Es wird dann wieder Überschreitungen geben, weil die aktuellen Werte wie etwa in Salzburg trotz technologischer Verbesserungen vor allem bei den Lkw-Flotten nicht Schritt halten mit den neuen EU-Grenzwerten.

Befreiung auf Zeit?

Die von der Salzburger Landeshauptmannstellvertreterin und Umweltlandesrätin Marlene Svazek (FPÖ) froh verkündete Befreiung von der Knebelung der Autofahrer durch den IG-Luft-Hunderter auf der A10 zwischen Salzburg und Golling nach 18 Jahren wird also eher nicht von Dauer sein. Die Grenzwerte bei den Luftschadstoffwerten werden aktuell eingehalten. Damit fehle dem Tempolimit die rechtliche Basis und werde im November per Verordnung beseitigt, sagte Svazek.

Der Zeitpunkt dieser Entscheidung, die auch von Verkehrslandesrat Stefan Schnöll (ÖVP) als richtig bezeichnet wird, kommt nicht von ungefähr. Die Landeshauptleute haben jedes Jahr bis 30. September Zeit, dem Verkehrs- und Klimaschutzministerium einen Evaluierungsbericht vorzulegen. Dieser hat den Zeitraum von 1. Mai des Vorjahres bis 30. April des laufenden Jahres abzudecken. Im Ministerium von Leonore Gewessler (Grüne) reagiert man erwartungsgemäß nicht erfreut: "Geringes Tempo führt zu weniger Verkehrstoten, verursacht weniger klimaschädliche Emissionen und weniger Lärm und spart durch den geringeren Treibstoffverbrauch auch Geld." Die IG-L-Maßnahmen zeigten, dass Emissionswerte und Lärmbelastung vor Ort gründlich sinken, das hebe die Lebensqualität der Anrainer. "Das Tempolimit jetzt aufzuheben ist das falsche Signal." Ausgenommen vom Tempolimit sind Elektroautos.

Dauerlimit in Tirol

Es dürfte nicht bei Salzburg bleiben. Denn der Vorstoß befeuert eine Debatte in Tirol. Zwar winkt der Tiroler Verkehrslandesrat René Zumtobel (SPÖ) ab. Er fürchtet, dass sich die Luftwerte verschlechtern würden. Aber der Seilbahnensprecher und Nationalratsratsabgeordnete Franz Hörl (ÖVP) fordert, dass die dauerhafte Beschränkung auf der Inntalautobahn (A12) zwischen Kufstein und Zirl aufgehoben wird. "Die Grünen haben sich darauf beschränkt, die eigenen Leute zu quälen und die Tiroler Wirtschaft zu behindern", polterte Hörl. "Diese Zeiten müssen vorbei sein."

Der Tiroler Landeshauptmann, Anton Mattle (ÖVP), verwies auf Zumtobel, der das Festhalten am "Lufthunderter" so argumentierte: Würde man die Regelung aufheben, würden die Schadstoffwerte wieder steigen und andere Anti-Transitmaßnahmen wären gefährdet - weil der "Lufthunderter" nur ein Teil eines Maßnahmenpakets sei: "Das bedeutet, wer den Lufthunderter aufhebt, der bekommt auch gleich das Nachtfahrverbot als aufgehoben mit", argumentierte Zumtobel.

"Rudi-Hunderter" in Oberösterreich

In Oberösterreich ist die Willensbildung noch nicht abgeschlossen. Dort gilt seit 2008 auf der A1-Westautobahn zwischen Linz und Enns Tempo 100, wenn es die Luftsituation erfordert. Ob das "Rudi-100er" genannte Tempolimit, benannt nach Ex-Umweltlandesrat Rudi Anschober, nun bald Geschichte ist, wird sich wohl im Herbst nach einer Evaluierung und Prognose weisen. Im Büro von Umweltlandesrat Stefan Kaineder (Grüne) hofft man auf eine Beibehaltung des Status quo. Das flexible Tempolimit sei eine wichtige Maßnahme zur Gesundheitsvorsorge und besseren Luftqualität zehntausender Menschen im dichtbesiedelten Linzer Umland. Er wolle das Tempolimit aufrechterhalten, betont Kaineder: "Der Schaden für Gesundheit und Umwelt überwiegt aus meiner Sicht den Vorteil eines minimalen Zeitgewinns."

Einzig in der speziell im Großraum Graz besonders betroffenen Steiermark ist eine Abschaffung der Luftgüte-Tempolimits kein Thema.

Das Land Salzburg hat übrigens im Herbst 2022 das flexible Tempo 80 auf der A1 in der Stadt Salzburg aufgehoben. Wie Svazek begründete der damalige Umweltreferent Heinrich Schellhorn (Grüne) dies damit, dass es für das Tempolimit keine Rechtsgrundlage mehr gebe. (Rohrhofer Markus, Ruep Stefanie, Luise Ungerboeck, 4.9.2023)