A1-CEO Marcus Grausam
"Wenn jemand weniger Geschwindigkeit oder Datenvolumen braucht, dann ermöglichen wir als Entgegenkommen im Rahmen der Indexierung auch ein Downgrade", sagt A1-CEO Marcus Grausam.
Renee del Missier

DER STANDARD führt 2023 Sommergespräche mit den CEOs der heimischen Telekommunikationsunternehmen. Nach Rodrigo Diehl von Magenta und Rudolf Schrefl von Drei ist nun der Marktführer an der Reihe: Marcus Grausam, CEO von A1, spricht ausführlich über die Netzqualität und den Ausbau bei Glasfaser und 5G sowie über die jüngsten Tariferhöhung, das Spannungsverhältnis zu den Streaminganbietern und die Zukunft der SIM-Karte.

STANDARD: Bei der jüngsten Speedtest-Auswertung des Anbieters Ookla ging Magenta als Gesamtsieger hervor, dem Konkurrenten Drei wird das schnellste 5G-Netz attestiert. A1 ist Marktführer, belegt in diesen Auswertungen aber keine Top-Positionen. Haben Sie hier Aufholbedarf?

Grausam: Diese Auswahl der Netztests ist sehr selektiv. Insgesamt zeigen Tests dieser Art, dass alle Anbieter in Österreich im Vergleich mit dem Ausland eine sehr gute Netzqualität haben. Dieses Jahr haben wir zum Beispiel den Chip-Netztest und den Speed-Checker-Netztest jeweils mit dem besten 5G-Netz gewonnen. Letztes Jahr im Herbst konnten wir auch den Futurezone-Netztest gewinnen. Unterschiedliche Tests bringen also unterschiedliche Sieger hervor. Das ist auch gut so, denn es stimuliert den Wettbewerb. Unterschiedliche Betreiber fahren unterschiedliche Strategien. Unsere Strategie ist es, zuerst in die Fläche zu gehen und viel Coverage für unsere Kundinnen und Kunden zu bieten: Derzeit erreichen wir 81 Prozent der Bevölkerung mit dem 5G-Netz und haben das Ziel, bis Jahresende 90 Prozent zu erreichen. Im nächsten Jahr werden wir mehr Kapazität und somit noch mehr Geschwindigkeit in unser Netz bringen.

STANDARD: Wann ist mit flächendeckendem 5G zu rechnen?

Grausam: Wenn man "flächendeckend" als die Regionen bezeichnet, in denen jetzt 3G und 4G verfügbar sind, wird es sicher im nächsten Jahr soweit sein.

STANDARD: Eine andere Studie von Anfang Juli besagt, dass 5G eigentlich nur von 22,8 Prozent der Befragten in Österreich wirklich genutzt wird. Warum ist die Akzeptanz noch immer so niedrig?

Grausam: Dieser Prozess braucht einfach Zeit. Unsere Daten zeigen, dass die Entscheidung bei drei Vierteln der Neukunden und Vertragsverlängerungen auf 5G fällt. Dadurch verwenden derzeit 25 Prozent unserer Kundinnen und Kunden 5G. Bei den bestehenden Wachstumsraten gehen wir davon aus, dass sich in den nächsten Jahren noch viel verändern wird. Natürlich gibt es noch viel zu tun, um den Kunden die Vorteile von 5G verständlicher näherzubringen.

"Vor ein paar Jahren gab es noch Demos und Widerstände gegen 5G. Dieses Bild hat sich komplett gedreht."

STANDARD: Und wie schreitet der Ausbau von Glasfaser voran?

Grausam: Wir investieren pro Jahr 600 Millionen Euro in den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Ein Schwerpunkt des Ausbaus ist 5G. Der zweite ist das B2B-Segement, also etwa Rechenzentren und Dienste in der Cloud. Der dritte ist Glasfaser. Wir haben mit 70.000 Kilometern das größte Glasfasernetz Österreichs und erreichen derzeit rund 700.000 Haushalte direkt mit Glasfaser. Rund 1,4 Millionen Haushalte erreichen wir mit zumindest 300 MBit/s. Unser Ziel ist, pro Jahr 200.000 Haushalte mit Glasfaser bis ins Haus oder bis in die Wohnung zu erschließen, im ersten Halbjahr 2023 waren es knapp 60.000 Haushalte. Derzeit ist es allerdings herausfordernd, ausreichend Bauressourcen zu finden.

STANDARD: Die Bauressourcen? Nicht die Gemeinden, die den Ausbau genehmigen müssen?

Grausam: Vor ein paar Jahren gab es noch Demos und Widerstände mancher Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gegen 5G. Dieses Bild hat sich nun komplett gedreht, nun wollen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister 5G und Glasfaser in die Gemeinde bringen. Die Genehmigungsverfahren sind noch immer aufwendig, aber in der Umsetzung sind die Bauressourcen der Flaschenhals: Wie in anderen Branchen gibt es auch hier einen akuten Arbeitskräftemangel.

STANDARD: Wann wird die gesamte österreichische Bevölkerung mit Glasfaser abgedeckt sein?

Grausam: Das Ziel der Bundesregierung ist, dass bis 2030 jeder Haushalt einen festen oder mobilen Gigabit-Anschluss hat. Bei Mobilfunk ist das realistisch. Bei Festnetz bin ich sehr skeptisch, weil das in manchen Gebieten viel zu teuer ist. Wir als A1 fahren eine hybride Strategie: In den eher dicht besiedelten Gebieten bauen wir Glasfaser, damit können wir bis 2030 75 Prozent der Bevölkerung versorgen. Die restlichen 25 Prozent, vor allem in sehr ländlichen Gebieten, versorgen wir mit 5G.

STANDARD: Sie haben auch ein "Hybrid-Internet" im Angebot, eine Mischung aus ADSL (Anm.: also Telefonleitung) und Mobilfunk in einem Modem kombiniert. Das läuft noch als 4G-Produkt. Da ist 5G also noch nicht angekommen, oder?

Grausam: Bei diesem Hybridprodukt kombinieren wir Bandbreiten aus Festnetz und 4G Mobilfunk. Bei 5G setzen wir auf Cubes, und hier speziell auf Outdoor-Cubes. Die Bandbreite, die man über 5G-Mobilfunk erhält, ist so viel größer als jene von ADSL, dass dies die Komplexität eines Hybridprodukts nicht rechtfertigen würde.

"Derzeit erreichen wir mit dem 3,5-Ghz-Netz etwa 50 Prozent der Bevölkerung."

STANDARD: Wenn Sie sagen, dass Sie vorerst mehr in die Breite gehen: Im Forum des STANDARD wird oft beklagt, dass beworbene Geschwindigkeiten bei den Endkunden häufig nicht ankommen. Wie ist bei A1 das Verhältnis zwischen beworbener und realer Geschwindigkeit?

Grausam: Da muss man zwischen den Technologien unterscheiden. Im Festnetzbereich, also Glasfaser und auch ADSL, entspricht die gelieferte Bandbreite der beworbenen Bandbreite. Im 5G-Mobilfunk haben wir ein Produkt mit Bandbreitengarantie, bei dem wir zumindest 80 Prozent der beworbenen Bandbreite garantieren. Mobilfunk ist aber ein geteiltes Medium, bei dem es schwierig ist, jederzeit eine Bandbreitengarantie abzugeben. Im Schnitt werden beim Mobilfunk 60 bis 70 Prozent der beworbenen Bandbreite erreicht. Zudem spielen bei der Thematik viele Parameter mit: So sind 60 Prozent unserer Kundenbeschwerden zu nicht erreichter Bandbreite eigentlich nicht auf unsere Netze, sondern auf die WLAN-Versorgung in den Wohnungen zurückzuführen. Daher konzentrieren wir uns auch nicht nur auf den Netzausbau, sondern auch auf die WLAN-Versorgung der Kunden zuhause.

STANDARD: Das Mobilfunkprodukt mit der Bandbreitengarantie ist aber auch nicht überall verfügbar, oder?

Grausam: Eine Bandbreitengarantie für 5G können wir vor allem im 3,5-Ghz-Netz abgeben. Und die bieten wir nur dort an, wo wir sie wirklich liefern können. Derzeit erreichen wir mit dem 3,5-Ghz-Netz etwa 50 Prozent der Bevölkerung.

"Je hochwertiger das Produkt, desto höher die gelieferte Netzqualität."

STANDARD: Welche Wachstumsprognosen gibt es da?

Grausam: Das zuvor erwähnte flächendeckende 5G wird es in dieser Kategorie 2024 noch nicht geben. Ich gehe davon aus, dass das noch drei Jahre dauern wird.

STANDARD: Neben der Hauptmarke A1 finden sich in Ihrem Netz auch günstige Diskontmarken wie Bob, Yesss und Xoxo. Werden diese gegenüber der Hauptmarke im Netz eigentlich benachteiligt?

Grausam: Wie alle österreichischen Anbieter haben auch wir in unserem Netz unterschiedliche Serviceklassen, in denen verschiedene Produkte laufen. Je hochwertiger das Produkt ist, desto höher ist die Serviceklasse im Netz, also die gelieferte Netzqualität. Das kommt dann zur Anwendung, wenn das Netz stark belastet ist, normalerweise haben alle die gleiche Qualität.

STANDARD: In diesem Jahr haben alle großen Anbieter ihre Tarife an den Verbraucherpreisindex angepasst. Magenta-CEO Rodrigo Diehl hat im STANDARD-Interview betont, dass man der Kundschaft im Gegenzug höhere Geschwindigkeiten oder mehr Datenvolumen geboten hat. Kommt A1 den Kunden ebenfalls entgegen?

Grausam: Auch wir haben unsere Preise angepasst. Aber Statistiken zeigen, dass die Telekommunikationsindustrie inflationsdämpfend wirkt, weil die Branche zum gleichen oder zum leicht erhöhten Preis immer mehr an Leistung bietet. Und auch wir bieten unseren Kunden jetzt mehr Leistung, indem wir etwa die Geschwindigkeit erhöhen oder ein größeres Datenvolumen bieten.

"Als Entgegenkommen ermöglichen wir im Rahmen der Indexierung auch ein Downgrade."

STANDARD: Es braucht halt nicht jeder Mensch dringend höhere Geschwindigkeiten oder ein größeres Datenvolumen. Es gab auch Zeiten, in denen die Konkurrenzsituation zu einem massiven Preiskampf geführt hat. Ist damit zu rechnen, dass die Tarife in naher Zukunft wieder fallen?

Grausam: Unser Ziel ist es, mit der zuvor angesprochenen Mehrmarkenstrategie die Anforderungen aller Österreicherinnen und Österreicher zu erfüllen. Wenn jemand weniger Geschwindigkeit oder Datenvolumen braucht, dann ermöglichen wir als Entgegenkommen im Rahmen der Indexierung auch ein Downgrade. Sie können also auf ein Produkt mit weniger Bandbreite und weniger Geschwindigkeit wechseln. Außerdem haben wir im Kontext der Teuerung dieses Jahr Einsteigertarife eingeführt. So gibt es zum Beispiel im Festnetzbereich einen Einstiegstarif, der 9,90 Euro im Monat kostet.

STANDARD: Roaming ist innerhalb der EU für Endkunden bekanntermaßen gratis, die Provider verrechnen einander aber sehr wohl die Minuten, SMS und Daten. Wie läuft hier das Geschäft?

Grausam: Zu Beginn der Pandemie dachten alle, die Telekommunikationsunternehmen seien die großen Gewinner. Tatsächlich sind wir zwar gut durch die Krise gekommen, die großen Gewinner waren wir aber nicht. Ein Grund dafür ist, dass das Roaming-Geschäft während der Pandemie aufgrund der Reisebeschränkungen weggebrochen ist. Der zweite Grund ist, dass viele unserer Kundinnen und Kunden All-in-Tarife haben: Auch wenn sie mehr Daten verbrauchen, können wir das nicht monetarisieren. Wir sehen nun, dass sich Roaming nur langsam erholt, im Segment der Geschäftskunden eigentlich gar nicht, weil viele Geschäftsreisen wegfallen. Im Privatkundenbereich gibt es in der EU viel Roaming, das wir nur wenig monetarisieren können. Und das Roaming-Aufkommen in den Drittländern ist weit unter dem Niveau von vor der Pandemie.

STANDARD: Wer in Drittstatten reist, der greift immer mehr zur E-SIM. Nun verdichten sich die Hinweise, dass die kommenden iPhones auch in Europa keine physischen SIM-Slots mehr haben werden. Setzt Sie das unter Druck, auf E-SIM zu setzen?

Grausam: Auch bei uns gibt es schon die Option zur E-SIM. Und viele unserer Kunden, die Dual-SIM-Handys verwenden, haben sowohl eine physische Sim als auch eine E-SIM. Für Kunden, die in Drittstaaten reisen, bieten wir außerdem Roaming-Pakete an.

STANDARD: Es ist allerdings meistens günstiger, im Ausland gleich auf einen E-SIM-Anbieter zu setzen, anstatt ein Roaming-Paket zu buchen. Umgekehrt könnten Sie auch verstärkt E-SIM an Touristen verkaufen, die nach Österreich kommen.

Grausam: Ich gehe davon aus, dass es am Ende des Tages beide Varianten geben wird. Aber E-SIM gewinnt an Bedeutung, da stimme ich Ihnen zu.

STANDARD: Wird es auf absehbare Zeit vielleicht bei A1 gar keine physischen SIM-Karten mehr geben, wenn Apples Ansatz sich durchsetzen sollte?

Grausam: Das kann ich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht beantworten. Es gibt ja auch andere Hersteller. Seniorenhandys werden beispielsweise wohl immer eine SIM-Karte haben. Es ist ein Transformationsprozess, bei dem die physische SIM zurückgeht und die E-SIM wächst.

"Mit dem Wort "Abgabe" stimme ich nicht überein. Meine Vorstellung wäre ein Anreizmodell für die Anbieter, so gute Codecs zu verwenden oder ihre Dienste so zu optimieren, dass sie so wenig Daten wie möglich transportieren."

STANDARD: Außerdem wird auf EU-Ebene von den Telcos für "Fair Share" – also eine Abgabe von Netflix und anderen Anbietern an die Telcos für die Nutzung der Infrastruktur – lobbyiert. Wie argumentieren Sie diese Forderung?

Grausam: Rund 80 Prozent des Verkehrs in unseren Netzen entfällt auf Video, ein Großteil davon kommt von den vier bis fünf großen Playern. Der Datenverbrauch in diesem Umfeld steigt stetig, was uns zu riesigen Investitionen in unsere Netze zwingt und unsere Energiekosten treibt. Unter der "Fair Share"-Überschrift wird versucht, eine Einigung auf ein Modell zu finden, mit dem beide Seiten leben können. Mit dem Wort "Abgabe" stimme ich nicht überein. Meine Vorstellung wäre ein Anreizmodell für die Anbieter, so gute Codecs zu verwenden oder ihre Dienste so zu optimieren, dass sie so wenig Daten wie möglich transportieren.

STANDARD: Andererseits sagen die Streaming-Anbieter, dass sie jegliche Mehrkosten sowieso an die Endkunden weitergeben.

Grausam: Ich weiß nicht, ob das so realistisch ist. Am Ende des Tages stehen riesige Investments im Raum. Datenübertragung kostet Strom, und die Energiepreise steigen. Das wird man finanzieren müssen. Und dazu wird jeder einen Beitrag leisten müssen, wie auch immer der aussieht.

STANDARD: Wie stark ließe sich das Datenvolumen denn mit besseren Codecs reduzieren?

Grausam: Freilich soll man nicht von 4K auf SD herunterfahren, das wäre ein Rückschritt. Aber ich glaube schon, dass mit besseren Codecs der Datenverbrauch um 20 bis 40 Prozent reduziert werden könnte.

"Wir verkaufen keine Daten. Stattdessen ist es unser Geschäftsmodell, mit datengetriebenen Analysen zu unterstützen."

STANDARD: Polarisiert hat A1 auch während der Pandemie durch das Teilen von Bewegungsdaten. Werden derartige Daten noch immer ausgewertet und zum Beispiel zur Optimierung von Marketingkampagnen genutzt?

Grausam: Unsere Tochter, Invenium, beschäftigt sich mit diesem Thema. Die Daten sind aggregiert und anonymisiert. Es gibt eine TÜV-Bestätigung, und wir lassen jedes Jahr auditieren, dass es über diese Daten keinen Rückschluss auf einzelne Personen gibt. Wir verkaufen keine Daten. Stattdessen ist es unser Geschäftsmodell, mit datengetriebenen Analysen zu unterstützen.

STANDARD: In welchen Bereichen kommt das nun zur Anwendung?

Grausam: In der Verkehrssteuerung zum Beispiel: Wie stark befahren ist eine Autobahn oder eine Straße? Wie werden öffentliche Verkehrsmittel frequentiert? Und ähnliche Fragen, die uns im Alltag und in der Mobilität unterstützen. Aber eben immer anonymisiert und aggregiert. (Stefan Mey, 9.9.2023)