Dungeons of Hinterberg
Das 2024 erscheinende "Dungeons of Hinterberg" aus Österreich nutzt ebenfalls die Unity-Engine.
Microbird Games

"John Riccitello ist der gierigste Mensch der Welt", war kurze Zeit im englischen Wikipedia-Eintrag zu "Gier" zu lesen. Auslöser dafür ist ein neues Preismodell seiner Firma, das in der Entwicklerbranche innerhalb weniger Stunden einen tosenden Shitstorm auslöste. Die Idee: Entwickler sollen nicht mehr allein für die Nutzung des Werkzeugs Unity zahlen, mit der etwa die Entwicklung von Videospielen vereinfacht wird, sondern jeder Download des Spiels würde den Entwickler noch einmal 20 Cent extra kosten. Ja, richtig gehört: jeder Download.

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Sogar der Wiki-Eintrag zu "Greed" wurde getauscht.
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Hinzu kommt, dass die Führung des Unternehmens, allen voran Riccitello, kurz vor der Ankündigung ihre Aktienanteile verkauft haben sollen, wie etwa "Buffed" berichtet. Offenbar wissend, dass die Reaktionen derart negativ ausfallen werden. Tatsächlich sackte der Kurs von knapp 39 Dollar auf rund 36 Dollar ab.

Drohungen und Enttäuschung

Kurz nach der Ankündigung schrieben zahlreiche Entwickler von einem "Vertrauensbruch", wie etwa Mega Crit, das Studio hinter dem Spiel "Slay the Spire". Speziell kleine Indie-Studios würden unter diesem neuen Modell leiden und von den ohnehin geringen Einnahmen noch einmal einen Teil abgeben müssen. Man werde deshalb trotz eines "enormen Zeit- und Entwicklungsaufwandes" in das aktuelle Projekt auf eine neue Software wechseln, außer Unity würde die "Änderungen komplett rückgängig machen".

Andere drohen damit, ihr Spiel mit Eintritt des neuen Preismodells von sämtlichen Online-Verkaufsplattformen zu verbannen. Prominentes Beispiel ist etwa der Indie Hit "Cult of the Lamb", das auf Steam eine Bewertung von 96 Prozent von den Nutzerinnen und Nutzern bekommen hat und seit 2022 zu einem Verkaufsschlager gehört. In einem Kommentar lässt das Studio wissen: "Unser Team ist spezialisiert auf Unity-Spiele. Was sind also die Auswirkungen auf uns? Nun ja, wir haben zukünftige Projekte in der Pipeline, die ursprünglich in Unity entwickelt werden sollten. Diese Änderung würde zu erheblichen Verzögerungen führen, da unser Team ein völlig neues Skill-Set erlernen müsste."

Gemeint ist damit, dass auch Massive Monster Unity hinter sich lassen würde, weil das neue Preismodell zu teuer für sie ist.

Unity Reaktion
Zahlreiche Entwickler zeigten sich von der Entscheidung mehr als enttäuscht.
Megacrit

Es sind unzählige solcher Wortmeldungen aus der Branche zu lesen, und auch österreichische Entwickler melden sich beispielsweise auf X (vormals Twitter) zu der Thematik. Philipp Seifried, der gerade an dem mit Vorschusslorbeeren überhäuften "Dungeons of Hinterberg" arbeitet, erklärt auf der Nachrichtenplattform ausführlich, warum man ab diesem Zeitpunkt eigentlich nicht mehr mit Unity arbeiten kann. So habe die Softwarefirma ein komplett "feindseliges Preismodell" kommuniziert und das vier Monate vor der geplanten Einführung. Das sei in einer Branche, wo man oftmals um die drei Jahre an einem Projekt arbeite, völlig verantwortungslos.

Die parallel stattfindenden Entlassungen bei der Firma seien laut Seifried ein Indikator dafür, dass offenbar schnell Umsatz gebraucht wird. So dringend, dass man sogar "verbrannte Erde" mit einem großen Anteil der Kunden riskiere. Auf Nachfrage des STANDARD erklärt Seifrieds Kollegin und Mitgründerin des gemeinsamen Entwicklerstudios, Regina Reisinger: "Darüber hinaus ist es extrem problematisch, dass Unity dabei einzelne Installationen in Rechnung stellen will, jedoch nach wie vor nicht klar definieren kann, was als 'Install' gilt und mit welcher Technologie beziehungsweise welchen Mitteln sie diese Installs zählen wollen."

So stelle sich etwa die Frage, ob mehrere Installationen eines Spiels durch denselben User zählen, selbst wenn dieser das Game nur einmal gekauft hat. Zählen Installationen via Subscription-Services wie Gamepass, Demos oder Installs aus Charity-Bundles dazu? "All das macht das vorgeschlagene Modell zum heutigen Stand nicht nur potenziell teuer für Entwickler, sondern macht es darüber hinaus fast unmöglich, im Vorhinein zu kalkulieren beziehungsweise im Nachhinein auf Richtigkeit zu überprüfen."

Kein Rückzieher

Unity hat am Mittwoch mit einer öffentlichen Stellungnahme auf den Druck reagiert. "90 Prozent der Kunden sind von dieser Veränderung nicht betroffen", stellt der Softwarehersteller klar. Es wären nur jene betroffen, die eine "substanzielle Größe in Downloads und Umsatz" erreicht und zusätzlich bestimmte für Unity "relevante Schwellenwerte" überschritten hätten. Die meisten kleinen Studios wären deshalb wenig bis gar nicht von der Änderung betroffen.

Einen Rückzieher hinsichtlich des neuen Preismodells hat die Firma offenbar nicht vor. Noch nicht. (aam, 14.9.2023)