McDonalds
Sieht so die Zubereitung von Kinderessen in der Teuerungskrise aus? Karl Nehammer eckt mit seinem McDonald's-Tipp an.
REUTERS/Shailesh Andrade

Zu wenig Geld für ein warmes Essen? Für diesen Fall hatte Karl Nehammer bei seinem bereits berüchtigten Auftritt vor ÖVP-Funktionären in Hallein einen guten Tipp parat. Gesund sei es zwar nicht, doch das billigste Mahl gebe es in Österreich bei McDonald's, rechnete der Kanzler vor: Ein Hamburger koste 1,40 Euro, inklusive Pommes seien es 3,50 Euro. Da könne niemand ernsthaft behaupten, Eltern könnten sich dies für ihre Kinder nicht leisten.

Es war offensichtlicher Ärger, der Nehammer zu dieser Aussage getrieben hat. Nach dem Geschmack des ÖVP- und Regierungschefs wird zu wenig honoriert, wie viel die türkis-grüne Koalition mit ihren Hilfspaketen zur Erhaltung der Kaufkraft getan habe: "Ich kann das hundertmal erzählen, es ist jedem wurscht." Stattdessen werde geschrieben: "Ein Kind in Österreich kriegt keine warme Mahlzeit."

Video: So reagieren Menschen, wenn sie das Video sehen, in dem Bundeskanzler Karl Nehammer armen Menschen indirekt rät, einen Hamburger zu kaufen, wenn sie ihren Kindern eine warme Mahlzeit servieren wollen
DER STANDARD

Tatsächlich geistert die Behauptung, die Nehammer so empört, immer wieder durch die politische Debatte. "76 Prozent der Menschen haben laut Caritas kein warmes Essen am Tag", war etwa im Boulevardblatt "Heute" im Mai fettgedruckt zu lesen. Dass das so nicht stimmt, erschloss sich erst weit unten im Artikel. Die Caritas hatte beim Sora-Institut zwar eine professionelle Befragung in Auftrag gegeben, allerdings gezielt unter 400 Klientinnen und Klienten von Sozialberatungsstellen, also ausschließlich unter Menschen in Geldnot. Repräsentativ für die Gesamtbevölkerung ist das natürlich nicht – aber das hatte die Hilfsorganisation auch nie behauptet.

Mahlzeit für zehn Prozent zu teuer

Für die Allgemeinheit aussagekräftigere Zahlen bietet die Statistik Austria. In der Reihe "So geht's uns heute" analysiert die Institution vierteljährlich die sozialen Folgen der Krisenjahre. Laut dieser regelmäßigen repräsentativen Befragung unter gut 3.000 Menschen hatten im ersten Quartal des heurigen Jahres 9,5 Prozent der 18- bis 74-Jährigen nicht das Geld, um sich "ein Hauptgericht jeden zweiten Tag" leisten zu können. Bei den Kindern unter 18 Jahren beträgt der Anteil 10,6 Prozent. Gemeint ist damit eine vollwertige Mahlzeit mit Fleisch, Fisch oder entsprechenden vegetarischen Zutaten.

Zu Beginn des Vorjahrs lagen die Anteile mit 7,6 (Erwachsene) beziehungsweise 7,4 Prozent (Kinder) niedriger. Der Anstieg sei signifikant, heißt es aus der Statistik Austria, liege also über der statistischen Schwankungsbreite.

Zu betonen ist: Bei den Angaben handelt es sich um keine überprüften Fakten, sondern um subjektive Einschätzungen über die eigene Lebenssituation. Was jemand unter einem vollwertigen Essen versteht, kann von Nudeln mit Olivenöl bis zum Restaurantbesuch reichen – oder eben bis zum McDonald's-Burger. Ob die von Nehammer beklagte negative Stimmungslage auf die Antworten abfärbt, darüber lässt sich nur spekulieren.

Sind die Eltern schuld?

Die Essensfrage beschäftigt nicht allein die ÖVP. Eine warme, gesunde Mahlzeit hat die SPÖ nicht erst seit Andreas Babler, sondern auch schon unter Pamela Rendi-Wagner propagiert. Doch der nunmehrige Parteichef hat als Bürgermeister von Traiskirchen diesen Anspruch auch mit Taten unterfüttert: Babler baut an einer gemeindeeigenen "Volxküche" für Kindergärten und Schulen.

Nehammer sieht offenbar eine andere Seite gefordert. Wenn Kinder kein ordentliches Essen auf den Tisch bekämen, dann liege es wohl an den Eltern, ist aus den nicht ganz eindeutigen Aussagen im Video herauszuhören. In dem Zusammenhang warnt er schließlich vor dem Weg in eine "Staatswirtschaft": "Das heißt: Jeder Elternteil hat sein Kind beim Staat einzumelden, wir machen Kalorientabellen, schauen, wie es ernährt wird – und dann sind wir in der DDR." (Gerald John, 28.9.2023)