Wer in der glücklichen Lage ist, ein altes Wiener Zinshaus zu besitzen, konnte sich in den vergangenen Jahren fast nicht vor Kaufanfragen dazu retten. Das Betongold boomte, und manches altehrwürdige Haus wechselte innerhalb von rekordverdächtigen 24 Stunden die Hand.

In den letzten Jahren haben sich die Kräne gedreht, jetzt ist Abwarten angesagt.
In den letzten Jahren haben sich die Kräne gedreht, jetzt ist Abwarten angesagt.
Getty Images/iStockphoto

Diese Zeiten sind vorbei, wie aus einem aktuellen Marktbericht von Otto Immobilien hervorgeht. Demnach sind die Verkaufszahlen bei Zinshäusern um fast 60 Prozent eingebrochen, und auch die Preise sind im ersten Halbjahr 2023 zurückgegangen, teils um bis zu 20 Prozent, über das gesamte Wiener Gemeindegebiet betrachtet ist es im Schnitt ein Minus von zehn Prozent.

Was bis vor kurzem niemand für möglich gehalten hätte, ist nun also eingetreten: Die Preise sinken – und bei weitem nicht nur die der Zinshäuser.

Der Wohnungsmarkt hat nämlich einen noch größeren Dämpfer erlebt. Dafür gibt es neben Inflation und steigenden Zinsen noch einen weiteren Grund: neue Kreditvergaberichtlinien, die die Finanzierung der ohnehin sehr teuren Wohnungen unmöglich gemacht haben.

Manche Bauträger verschieben Baustarts nun nach hinten und verkaufen derzeit weniger Wohnungen, andere kommen überhaupt bereits ins Schwimmen. Große Preisrückgänge beobachten Immobilienprofis im Neubau noch nicht. "Aber im Bestand und wenn jemand verkaufen muss, gibt es auch Preisabschläge von 20 Prozent", sagt Eugen Otto, Geschäftsführer von Otto Immobilien. Auch die Anzahl von Dachgeschoßausbauten sinke angesichts dieser Situation.

Zum Weinen nach München

Die tiefgreifende Veränderung lässt sich auch aus einer aktuellen Analyse von Remax ablesen. Demnach wurden im ersten Halbjahr deutlich weniger Wohnungen in Österreich verkauft als zuvor, nämlich rund 20.000, im Vorjahr waren es im gleichen Zeitraum mehr als 26.000. Und die Durchschnittspreise sind erstmals seit 2015 nicht gestiegen, sondern gefallen, in Wien waren es im Schnitt 3,6 Prozent.

Nun hofft man in der Branche auf eine Lockerung der Kreditvergaberichtlinien, die bisher aber nicht in Sicht ist. Zuversicht könnte auch eine Stabilisierung des Zinsniveaus bringen, darauf hoffen angesichts einer leicht sinkenden Inflation Fachleute für das kommende Jahr. Vorausgesetzt, es passiert nicht wieder etwas Unvorhergesehenes, was den Markt weiter durcheinanderschüttelt. Ausgeschlossen ist das – siehe Ukrainekrieg — nicht.

Fährt die heimische Immobilienszene nun also "zum kollektiven Weinen nach München", zur Immobilienmesse Expo Real, wie ein Entwickler kürzlich am Rande einer Pressekonferenz sagte? Nun, die Situation ist zweifellos brisant und äußerst ungewohnt. Die 15 hervorragenden Jahre, in denen man alles verkaufen konnte, was man baute, sind vorerst vorbei.

Doch die Expo ist weit mehr als nur ein Szenetreff, hier wird auch viel in die Zukunft geblickt. In eine Zukunft, die zweifellos heißen muss: nachhaltig bauen, nachverdichten, Bauen im Bestand. Oder, wie es dieser Tage auch oft heißt: Die Zeit der Profis ist gekommen. (Martin Putschögl, Franziska Zoidl, 2.10.2023)