Heute ist Australien No-go-Land für Arachnophobiker. Ob der Kontinent immer schon ein Spinnenparadies war, lässt sich zumindest anhand der drei bisher gefundenen Spinnenfossilien nicht beantworten. Nun aber ist ein viertes dazugekommen, und die Paläontologen sind begeistert: Der Fund zeigt ein ausgezeichnet erhaltenes Exemplar und hilft, einige Fehlstellen in der Spinnengeschichte Australiens zu füllen. Die neu entdeckte Art entstammt der Familie der Falltürspinnen (Barychelidae) und lebte im Miozän vor elf bis 16 Millionen Jahren.

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Das Spinnenfossil ist in einem hervorragenden Erhaltungszustand. Das ist den Umständen an der Fundstelle zu verdanken, die für ihr feinkörniges eisenhaltiges Goethitgestein bekannt ist.
Foto: Michael Frese/Australian Museum

"Auf dem gesamten Kontinent wurden bisher nur vier Spinnenfossilien gefunden, was es den Wissenschaftern erschwert hat, ihre Entwicklungsgeschichte zu verstehen", sagte Matthew McCurry von der University of New South Wales und dem Australian Museum. "Deshalb ist diese Entdeckung so bedeutsam, denn sie liefert neue Informationen über das Aussterben dieser Spinnen und füllt so eine Lücke in unserem Verständnis der Vergangenheit."

Verwandte in den Tropen

Die Forschenden haben die neue Spezies Megamonodontium mccluskyi getauft und nun im Fachjournal "Zoological Journal of the Linnean Society" vorgestellt. Ihr nächster lebender Verwandte lebt heute in Feuchtwäldern von Singapur bis Papua-Neuguinea. Das deutet darauf hin, dass diese Gruppe einst ähnliche Lebensräume auf dem australischen Festland bewohnte, dann aber ausstarb, als Australien immer trockener wurde.

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So in etwa stellen sich die Forschenden Megamonodontium in ihrer angestammten Umgebung vor. Sie verbrachte vermutlich die meiste Zeit in ihrer getarnten Erdröhre, ab und zu überraschte sie nichtsahnende Opfer aus dem Hinterhalt.
Illustration: Alex Boersma/Australian Museum

Die Spinne war nur eines von zahlreichen Fossilien aus dem Miozän, die in einer als McGraths Flat bekannten Graslandregion im Bundesstaat New South Wales gefunden wurden. Der Fundort weist außergewöhnliche Bedingungen auf, die es erlaubt haben, bisweilen auch Weichteilgewebe zu konservieren. In einigen Fossilien aus McGraths Flat lassen sich sogar subzelluläre Strukturen erkennen.

Feinstes Goethit ...

Die Art des Gesteins, in dem die Fossilien eingeschlossen sind, macht die ganze Stätte noch bemerkenswerter: Es handelt sich um eisenhaltiges Gestein namens Goethit, das die Spinne so gut konserviert hat, dass die Forschenden um McCurry selbst kleinste Details der arachniden Anatomie erkennen konnten. Dies erlaubte es dem Team schließlich auch, Megamonodontium mccluskyi in die verwandtschaftliche Nähe der modernen Gattung Monodontium zu stellen. Das "Mega" lasst freilich schon einen bedeutenden Unterschied vermuten: Die urzeitliche Spinne ist fünfmal so groß wie ihre modernen Angehörigen.

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Nahaufnahme des Vorderleibs und der Beine von Megamonodontium mccluskyi, eingebettet in rotes Goethit.
Foto: Michael Frese/Australian Museum

Auch das ist zwar nicht außerordentlich riesig, da Monodontium-Arten normalerweise ziemlich klein sind, aber immerhin hatte ihr Körper eine Länge von 23,3 Millimetern. Das macht Megamonodontium mccluskyi zum zweitgrößten Spinnenfossil, das jemals gefunden wurde. Mit gespreizten Beinen hätte sie wohl eine Handfläche bedeckt. Diese Ausmaße erleichterten die Untersuchung des Fossils erheblich.

... konserviert winzige Details

"Mithilfe der Rasterelektronenmikroskopie konnten wir winzige Einzelheiten der Klauen und Setae an den Pedipalpen, den Beinen und dem Vorder- und Hinterleib der Spinne analysieren", erklärte der Virologe Michael Frese von der Universität Canberra, der die Fossilien mithilfe von Stapelmikrofotografie gescannt hat. "Setae sind haarähnliche Strukturen, die eine Reihe von Funktionen haben können. Sie nehmen Chemikalien und Vibrationen wahr, helfen bei der Verteidigung gegen Angreifer und können sogar Töne erzeugen."

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Viele anatomische Details sind erhalten, die man mit dem Rasterelektronenmikroskop genauer studieren kann. A und B zeigen die klauenbewehrten Pedipalpen der Spinne, kleine beinartige Taster nahe den Mundwerkzeugen. C und D: Zoom auf ein Haar der Spinne, eine sogenannte Seta. E, F und G: Ansatzpunkte von Setae am Hinterleib der Spinne und an einer anderen Stelle der Haut. H zeigt eine Nahaufnahme der beweglichen Basis eines Härchens.
Fotos: McCurry et al., Zool. J. Linn. Soc.

Die Neuentdeckung könnte Aufschluss darüber geben, wie sich Australien im Lauf der Zeit verändert hat, als der Kontinent in vielen Regionen dramatisch austrocknete. Da heute auf dem Südkontinent keine Megamonodontium-Verwandten mehr zu finden sind, könnte dieser Klimawandel während und nach dem Miozän dazu geführt haben, dass diese Spinnenlinien ausgestorben sind, vermuten die Wissenschafter. (Thomas Bergmayr, 1.10.2023)