Junge Menschen feiern, palästinensische Fahnen schwenkend, auf der Wiener Mariahilfer Straße und vor dem Bundeskanzleramt, just vor dem Denkmal für Wehrmachtsdeserteure. Ähnliche Bilder zeigten sich nach den terroristischen Angriffen der Hamas auf Israel auch in Berlin und in anderen europäischen Hauptstädten. Hunderte junge Israelis, die in der Wüste auf einem Festival für den Frieden im Nahen Osten getanzt hatten, waren gerade von der Hamas niedergemetzelt oder als Geiseln genommen und verschleppt worden. Andere junge Menschen, ein paar Hundert Kilometer weiter, hielten das für einen Grund zum Feiern.

Samstag auf der Wiener Mariahilfer Straße: Aktivisten fordern "Freiheit für Palästina".
Colette Schmidt

Das ist nicht nur empörend. Es ist schlicht nicht hinzunehmen, dass im aufgeklärten Westen Menschen leben, die vermeinen, es gebe auch nur irgendein politisches Ziel, das rechtfertigen würde, andere Menschen zu töten. Der Verfassungsschutz muss hier genau hinschauen.

Dabei sollte man sich hüten, "die" Menschen arabisch-palästinensischer Herkunft in Bausch und Bogen als Hamas-Unterstützer zu brandmarken. Es gibt auch viele andere, etwa Muna Duzdar, SPÖ-Nationalratsabgeordnete, selbst palästinensischer Herkunft, die den tanzenden Hamas-Sympathisanten zurief, sie sollten sich schämen – und sie sprächen keineswegs für die Mehrheit der von dort Eingewanderten.

Falsche Solidarisierungen

Aber nicht nur Menschen mit einschlägigem Migrationshintergrund demonstrieren. Auch junge linke Intellektuelle haben sich am Wochenende angeschlossen, Feministinnen, linke Aktivisten. Es ist völlig unverständlich, wie man feministisch überzeugt sein und gleichzeitig die Bilder, die getötete, verschleppte und misshandelte junge Frauen zeigen, geschunden von Hamas-Terroristen, negieren kann. Hier wird stur und unbeirrt vom tatsächlichen Weltgeschehen ein vielleicht romantisch-naives, jedenfalls aber vollkommen einseitiges antiamerikanisches und antiisraelisches Bild vom Konflikt im Nahen Osten gepflegt. Diese Menschen schreiben Solidaritätsadressen in sozialen Medien und deuten brutalen Terror gegen friedliebende Jugendliche in einen heroischen Freiheitskampf um. Sie relativieren, wo eindeutige Verurteilung die einzig akzeptable Reaktion wäre.

Es gibt eine verquere Tradition innerhalb der Linken, die Antiamerikanismus und Antizionismus mit Kapitalismuskritik und Marxismusverklärung mischt. Das reicht weit zurück, heraus kam stets ein krudes Weltbild, das mitunter auch in den Reihen der Sozialdemokratie verfängt. Auch hier trifft man zuweilen auf Relativierer und Beschwichtiger, nicht nur in Bezug auf den Nahostkonflikt. Erst vor kurzem schwadronierte der ehemalige SPÖ-Klubobmann und Langzeitabgeordnete Josef Cap öffentlich über den Ukrainekrieg – mit klaren Schuldzuweisungen in Richtung der angegriffenen Ukraine und ihres Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Höchste Zeit, ein für alle Mal mit falschen Solidarisierungen aller Art aufzuhören. Darüber sollte es, quer durch alle politischen Lager, Konsens geben. (Petra Stuiber, 10.10.2023)